Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 27.02.2011
Vergangene Woche war ich in Zürich, im Opernhaus wieder einmal. Dr. Haemmerli ist kein grosser Anhänger von E-Kultur, weiss man, doch die Produktion, die es zu sehen gab, war die Oper „Nabucco“. Urteil über die Musik wird hier keins gefällt, weil man das tun soll als Kolumnist, was man kann, finde ich (nur so viel, es hat mir gefallen.) Recht wenig Besucher waren so angezogen, wie man sich anzieht für einen solchen Anlass. Als Frau mit Hose und Stiefeln zu kommen respektive als Mann ohne Jackett ist bad style, finde ich. (Die Socke, nebenbei, ist das vielleicht wichtigste Kleidungsstück des Mannes.) Gut fand ich die deutsche Übertitelung – ich meine, man will die Worte verstehen als Homme de Lettres.
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Als solcher wundert man sich: Kann es ein Nationalstaat im Alleingang schaffen? Wie sichert ein kleines Land seine Versorgung im härter werdenden Verteilungskampf? In Zeiten der Globalisierung sind die wenigsten Probleme ohne internationale Zusammenarbeit und internationale Organisationen zu meistern. Was wäre die Alternative zur Europäischen Union als regionalem Verbund?
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Nun: Vielleicht sehe ich alles etwas deutlicher, weil ich die Schweiz während fünf Jahren von aussen betrachten konnte. Dies war mit ein Grund, dass der sat1-Gewinn in drei Jahren von mickrigen vier auf die Rekordhöhe von 204 Millionen Euro stieg. Darum bin ich geschockt: Ich werde in zwei Wochen offiziell zum Rentner. Dabei sind die 65-Jährigen von heute fit wie früher die 55-Jährigen.
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Wie ich schon in meiner Gesprächskolumne „Auf einen ‚Venti Triple Iced Latte‘ mit Publizist Haemmerli“ erklärte, fuhr ich als ich ganz jung war, Ferraris, unter anderem einen Lusso und einen GTB 4. Mit einem tollen Wagen, so glaubt Mann in diesem Alter, schleppt man tolle Mädchen ab. Und die welschen Parlamentarier nannten mich «le Beatle de la Plume», den Beatle der Feder.
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Beim Verfassen dieser Kolumne habe ich den Überblick verloren und Zitate nicht gekennzeichnet. Ich möchte mich deshalb entschuldigen bei meinen Leserinnen und Lesern, bei meinen Arbeitskollegen, bei meiner Familie und bei meinem Hund. Sowie bei allen, deren Gefühle ich verletzt habe. Besonders bei Markgraf van Huisseling, Roger de Weck & Roger Schawinski sowie Frank Alohaaaaaaa Meyer, aus deren Kolumnen ich meine zu 92 Prozent zusammen gesetzt habe. Hiermit ziehe ich diese Kolumne zurück und sistiere bis auf Weiteres meinen Kolumnistentitel.
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Und hier die Ergebnisse der Plagiats-Untersuchung:
Kurzfassung: Der erste Abschnitt ist von Mark van Huisseling, der dem nationalkonservativen Kampfblatt Weltwoche sowie dem eigenen Nimbus ein wenig Glamour einzuhauchen sucht. Abschnitt zwei ist von Roger de Weck, dem langjährigen Kolumnisten der SonntagsZeitung, heute Televisions-Kaiser. Abschnitt drei stammt weitgehend vom omnipräsente Roger Schawinski, unter vielem anderen Kolumnist der SonntagsZeitung. Abschnitt vier ist von Frank A. Meyer, der das Rezept der Zeit-Kolumne „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ abkupferte und sich im Sonntagsblick unter der Gesprächsrubrik „Auf einen Espresso mit Frank A. Meyer“ in Szene setzt. Ob es wirklich einen „Venti Triple Iced Latte“ gibt, weiss ich nicht, der Triple tauchte aber immer wieder auf in Kolumnen und Texten von einem meiner Lieblingsschreiber, nämlich Philipp Tingler.
Und jetzt im Detail:
Der erste Abschnitt steht tatsächlich so in Mark van Huisselings Kolumne. Ausser, dass er, wenn er in der dritten Person über sich selber schreibt natürlich nicht Dr. Haemmerli heisst, sondern MvH, ein Kürzel, das Huisseling als Makenzeichen zu etablieren sucht.
Aus einer anderen seiner Kolumnen ist der Einschub, dass die Socke das vielleicht wichtigste Kleidungsstück des Mannes sei. Was natürlich kompletter Nonsens ist.
Ansonsten kann ich nach der Lektüre von vielen seiner Kolumnen zusammen fassen: Das alles ertrinkt in Sprachmarotten & Manierismen. Neben den häufigen Klammern, kommt wohl in jeder Kolumne einmal NEBENBEI vor. Nicht fehlen darf das nachgestellte FINDE ICH. Wenn Huisseling über irgendwelchen eigenen oder etwas peinlicheren Kram schreibt, dann fügt er jeweils ein FÜR DIE, DIE ES INTERESSIERT bei. Was natürlich ebenso überflüssig ist, wie das FINDE ICH, finde ich. Praktisch immer kommt die Metapher von den HALBFETTEN NAMEN vor (vermutlich selbst erfunden!). Und gehäuft erscheinen englische Bonmots und Einstreusel, die wohl etwas Weltläufigkeit evozieren sollen, derweil Gallizismen wie der HOMME DE LETTRES die Ausnahme sind. Es gibt wohl kaum einen anderen Kolumnisten, den so viele Leute ein Arschloch zeihen. Worauf ich den Mann aber stets verteidige. Erstens kann Huisseling schreiben. Zweitens experimentiert er mit Form und Sprache, was in der kreuzbraven helvetischen Schreiberei eine Wohltat ist, selbst wenn’s zuweilen schief geht. Drittens finde ich es legitim, wenn einer in der an bekannten Figuren armen Schweiz sich seinen Platz ergattern will und lieber an Promidinner & Marketingsausen geht als an Finanz-Pressekonferenzen. Kommt hinzu, dass sich stets eine Spur Selbstironie durch die Kolumnen zieht, und Huisseling, trifft man ihn, alles andere als ein Grosskotz ist. So schrieb er mir als Widmung in sein Promiporträt-Buch (das ich erbeten hatte und gerne las), „von Kleinunternehmer zu Kleinunternehmer“ oder etwas in der Art. Kurzum, ich mag Huisseling. Und, Ehre wem Ehre gebührt, dies ist nicht meine erste Kopie. Vor sehr vielen Jahren, wir schrieben damals beide zuweilen für das Untergrundheft „Nachtblatt“, übernahm ich für die Videosendung Code, die ich damals fabrizierte, von Huisseling das schöne Bild von Kerlen „mit Kotelletten bis an die Brustwarzen“.
De Weck ist eins zu eins De Weck. Hier und da um ein paar Begriffe gekürzt. De Wecks Kolumnen waren duch und durch immer diesem ein wenig braven, vernünftigen, getragenen Sonntagston verschrieben, wobei ihm fast immer beizupflichten war.
Der dritte Abschnitt ist weitgehend aus zwei SonntagsZeitungs-Kolumnen von Roger Schawinski zusammen gesetzt. Wobei es gar nicht so einfach war, das zu finden, was man bei Schawinski als hervor stechendes Merkmal vermuten würde: Den Egomanen. Im Gegensatz zu seiner Radio-Interviewsendung, in der er immer wieder gerne die eigenen Meriten in den Vordergrund rückt, bleiben Schawinskis Kolumnen bei der Sache.
Der letzte Abschnitt ist aus zwei „Auf einen Espresso mit Frank A. Meyer“-Kolumnen aus dem SonntagsBlick zusammen gesetzt, in denen Riniger-Chef Marc Walder Frank A. Meyer befragt. Wobei die Dinger meist recht unspontan und so gar nicht nach einem kurzen Gespräch nebenbei klingen. Die Ferraris finden sich hier, der gefiederte Beatle hier.
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3 Kommentare
1
Myrto
Lange nicht mehr so gelacht, Herr Hämmerli!
Danke für die tolle Sonntagslektüre….
Grüsse M
2
virchow
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Bei Deinem Wollunterhosenphoto von unten (Selbstauslöser oder Assistent-/in?) bekommt das Klischée vom der „veränderten Sichtweise“ ganz neuen Sinn. Sehr lustig und ein bisschen eklig, also: Kunst!
Was Du in aber Deiner tequilavernebelten Diaspora trotz Totalvernetzung wohl nicht mitgekriegt hast, ist, dass hier seit zwei Wochen jeder, aber auch jeder Scherzchen mit Zitaten, Fussnoten und zurückgegebenen „Titeln“ veröffentlicht. Ansonsten finde ich die Meta-Struktur hier: „Kritik an Kolumnisten von und durch einen Kolumnisten“ eine 1A Idee.
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haemmerli (Autor)
Der auf dem Foto bin also nicht ich, deshalb weder Assi noch Selbstauslöse sondern yours truly.
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