18.01.2009  _  Kolumne Facebook

Die Prinzessin als Krähe

Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 18.01.2009

Schon beim Flug von Saigon nach Singapore waren sie mir aufgefallen: Ein Paar, das heraus stach, weltläufiger wirkte, besser angezogen und cool, ohne dass ich hätte angeben können, weshalb. Im Sutton Palace Singapore stand man am Check-in…
Im Sutton Palace Singapore stand man am Check-in plötzlich nebeneinander und ging in der Folge gemeinsam essen. Der Eindruck hatte nicht getäuscht, die beiden waren weit gereist, witzig, gebildet, mehrsprachig und verspielt. Beides erfolgreiche Ökonomen mit beeindruckendem Parcours und einem Horizont, der weit über Zahlen und Firmen hinausgeht. Maria liebt Literatur, Alexandru Theater, das seine Fantasie speist. Ein wenig verwöhnt, behauptet er, eigentlich eine Prinzessin zu sein. Verstossen vom Prinzessinnenplaneten, weil Prinzessinnen hübsch und grazil zu seien hätten. Nicht klein, stämmig und behaart.
Während der Diktatur Ceauşescus trainierte die Pinzessin mit zwei Freunden monatelang Schwimmen und Dauerlauf, um über eine Fluss nach Jugoslawien zu entkommen. Im letzten Moment packte Alexandru das schlechte Gewissen, wäre er geflohen hätte sein Bruder, der eine Position und Familie hatte, Repressalien befürchten müssen, Den Freunden glückte die Flucht aus Rumänien und beide sind heute so reiche Amerikaner, dass der eine Haidenangst vor Obama hat.
Derweil sehen Maria und Alexandru zwar die rumänische Politik äusserst kritisch. Sie sind aber von diesem unerschütterlichen Glauben an eine bessere Zukunft beseelt, der mir auch in Asien überall begegnet und den ich in der Schweiz so sehr misse.Schon im Sommer in Bukarest schien mir, es rieche überall nach Aufbruch, nach Optimismus, und jedes neue Kaffeehaus wirkte modern, hatte eine anständige Espressomaschine, Wireless-Lan und und auch einen besseren Service als in der Schweiz.
Alexandu arbeitete in den Neunzigern in Zürich und mag die Schweiz; obwohl er wegen Bürokratenunsinn gezwungen war, jedes Mal zuerst nach Bukarest zu fliegen, wenn er nach Paris musste. Wir sprachen von den antirumänischen Plakaten, in denen furchterregende Krähen das arme Helvetien invadieren. Mich überkam heiliger Zorn als ich erklärte, die hingen, bloss weil ein eitler Ex-Magistrat (mit deutschem Migrationshintergrund!) sich nicht damit abfinden mag, dass er nicht in die Regierung passt und sein politisches Ablaufdatum erreicht hat.
Jungen Weltbürgern wie Maria und Alexandru dagegen gehört die Zukunft.

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