11.05.2022

Koni Frei (75) übergibt die Kanzleiturnhalle

Nach 28-Jahren: Stabübergabe in der Kanzleiturnhalle: Filippo Leutenegger einigt sich mit dem “roten Bindella”

Vor 28 Jahren übergab der bürgerliche Stadtrat Hans Wehrli gegen Kritik dem 80er Koni Frei die Kanzleiturnhalle. Frei musste sich persönlich verpflichten, dass es zu keinerlei Krawallen käme. Und dass das Programm die Stadt nichts kosten würde. Dank einer Übereinkunft mit Filippo Leutenegger, kann Frei die Halle nun an die junge Generation weitergeben, die sie wie bisher weiterführen wird. Ohne Kosten für die Stadt, mit einem breiten Veranstaltungsangebot, das von den Wochenenddiscos querfinanziert ist. 

Anfangs 90er Jahre zahlte die Stadt Zürich Unsummen, um die Turnhalle des Kanzleizentrums rund um die Uhr von Securitas bewachen zu lassen. Immer wieder war es zu Besetzungen, Besetzungsversuchen und zu Protesten diverser Quartieraktivistinnen und Protestroutiniers gekommen, die die Turnhalle auf dem Kanzleiareal für ihre Zwecke beanspruchten. 1990 hatte die Stimmbevölkerung die dauerhafte Einrichtung eines Quartierzentrums auf dem Kanzleiareal knapp abgelehnt. Die Lage war kompliziert, sie war verzwickt, bis zwei gegensätzliche Charakterköpfe den gordischen Knoten durchschlugen. FDP-Schulvorstand Hans Wehrli unterzeichnete einen Vertrag mit Konrad Emanuel Frei, der seine Sporen bei den 68ern verdient hatte und dann Drahtzieher in der 80er Bewegung geworden war. Ausgerechnet: Dem Pfarrerssohn, der erst Theologie und dann Wirtschaft studiert hatte, im Militär Offizier geworden und dann bei unzähligen linken Gruppen und Aktionen federführend war, wollte ein bürgerlicher Stadtrat die Turnhalle geben. Der Druck auf Wehrli war gross. Plötzlich tauchten Polizeiakten von Koni Frei auf. Im Schulamt gab es Gegenwind. Im Gemeinderat wurde debattiert und gewarnt, Medien rieten ab, denn es drohe ein “Agitationszentrum”. Aber Wehrli hielt am Deal, der die politischen Weltanschauungen überbrückte, fest. Seine Bedingungen: Die Stadt würde keinen Rappen Subventionen zahlen. Von der Turnhalle dürften keine Krawalle ausgehen. Und der Vertrag würde ad personam geschlossen, Koni Frei sei für alles persönlich verantwortlich.

Es folgte ein Ämtermarathon, und trotz bestandener Wirteprüfung erteilte die Wirtschaftspolizei Frei kein Gastroführungspatent. Begründung: Frei habe “ein gestörtes Verhältnis zu den Behörden”. Darauf musste Freis Partner Zsolt Tscheligi einspringen und kurzerhand die Prüfung fürs Wirtepatent ablegen. Am 1. August 1993 konnten Frei und Wehrli bei der Eröffnung der Turnhalle anstossen. Prosit auf ein Projekt, von dem keinerlei Radau ausgehen sollte. Und das bis heute nie städtische Gelder bezog. Die Disco am Wochenende trägt all die Veranstaltungen, die von Poetikvorlesungen bis zu Abdankungen reichen und Raumbedürfnisse befriedigen, die vom Schulamt bis zu Solidarität-mit-für-gegen-Gruppen gehen. Das Erfolgsrezept über all die Jahre formuliert Koni Frei so: “Mein Partner Zsolt Tscheligi regelte alles Finanzielle. Kam die Polizei, war ich zur Stelle.” Praktischerweise wohnt Koni Frei um die Ecke an der Helmutstrasse, der wohl wichtigsten Erfolgsgeschichte der 80er-Besetzerbewegung. Und über die Jahre wurde der Mann nicht nur ein Intimus diverser städtischer Dienststellen, sondern auch ein gewiefter Gastronom, der neben dem Restaurant Volkshaus diverse Betriebe verantwortet, was ihm bei der Polizei den Spitznamen “der rote Bindella” eintrug.

Inzwischen ist Koni Frei Mitte Siebzig, der Vertrag ein Auslaufmodell. Und wieder gab es verschiedene Interessenten für die zentral gelegenen Turnhalle. Dass das bisherige Modell weitergeführt werden kann, ist FDP-Schulvorstand Filippo Leutenegger zu verdanken, der ebenso pragmatisch und unideologisch wie sein Vorgänger Wehrli die Weiterführung des Modells ermöglicht. Konkret: Neu übernimmt Fabian Müller die Turnhalle, die er im Sinn und Geist Freis und Tscheligis weiterführen wird, welche ihm beratend zur Seite stehen. Müller, Jahrgang ‘84, ist seit 2004 in wechselnden Funktionen in der Kanzleiturnhalle tätig und verfügt über breite Gastroerfahrung. Selbstverständlich wird die Stadt auch weiterhin keine Subventionen bezahlen, so viel Wehrli bzw. Leutenegger muss auch im rotgrünen Kreis 4 sein. 

Am 8. Mai 2022 feierte Koni Frei dann seinen seinen 75sten Geburtstag mit etwa 400 Leuten in der Turnhalle. Es wurde zum Klassentreffen von 80er und 90er Aktivistinnen und zur öffentlichen Übergabe der Turnhalle mit Jubelreden unter Leitung der ungemein witzigen Comedienne Bettina Dieterle.

 

 

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