16.03.2020

Nörgeljournalismus (Aus Dichtestress: Ein helvetischer Spleen)

Nörgeljournalismus erkennt man am kläffenden Sound. Er ist eine Hypertrophie von kritischem Journalismus. Versuchte Letzterer eine Position durch genaues Nachfragen, durch Skepsis und kluges Entgegnen zu prüfen oder zu demontieren, so betet der Nörgeljournalismus einfach einen kurrenten Anwurf nach dem andern herunter. Oft sind das Klischees und Ressentiments, denn der Nörgeljournalist hat nicht die Zeit – oft auch nicht das Format –, sich stichhaltige Gegenargumente zurechtzulegen. Während sich der kritische Journalismus der Tradition der Aufklärung verdankt und damit schon etwas angegraut ist, wurzelt der Nörgeljournalismus topaktuell im Gestus all der Fernseh-Krawallshows, bei denen egal ist, was gesagt wird, so lange es genügend laut und kontrovers daherkommt. Und da in der Schweizer Politik das Pendant zurTV-Brüllshow die Volkspartei ist, betet der Nörgeljournalist gerne ihre Anwürfe herunter. Oft wider seine eigene Vernunft oder Neigung, aber gerade dadurch erlebt er sich als besonders professionell, kaltblütig und unbestechlich; während er doch nur Nonsens wiederholt. Dazu gehört etwa der Refrain des nationalkonservativen Kampfblattes, alle Medien – ausser den von Blocher kontrollierten – seien Mainstream, derweil nur ganz ausgekochte Investigativjournalisten die wirklich brenzligen Fragen stellten, etwa ob Frauen nicht doch an den Herd gehörten (schon bei den Höhlenbewohnern!), ob Berlusconi nicht doch ein Segen für Italien und ob das Volk nicht dringend vom Joch all der frechen Ausländer zu befreien sei.

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