02.03.2019  _  Sonstiges + Corina Gredig + Daniel Binswanger + Euopapolitik + Galladé + GLP + Levrat + Nicola Forster + Operation Liebero + Republik + SPS + Stefan Schlegel + SVP + Tiana Angelina Moser Facebook

Warum GLP & Galladé so viel Wirbel machen. Und wo Binswanger irrt.

Unter dem Titel «Linksliberaler Blendeffekt» schreibt Daniel Binswanger eine polemische Kolumne gegen Chantal Galladé und die GLP. Galladé ist gezeichnet als reine Opportunistin, denn in der Europapolitik habe sie sich ja selten geäussert. Binswanger macht sich damit die Sprachregelung der SP zu eigen: Weil sich Galladé nicht zu Europa geäussert habe, könne das ja wohl nicht der Beweggrund gewesen sein. Das trifft die Sache nicht. Galladé hatte erklärt, die Kehre in der Europapolitik habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Dass SPlerInnen, die nicht auf der Levrat-Linie sind, zuweilen ein rauer Wind aus den eigenen Reihen entgegenweht, ist kein Geheimnis. Und was Galladés Europaposition anbelangt: Sie war ja seit ihrer Jugend Sozialdemokratin. Da muss man nicht betonen, dass man für enge Beziehungen zur EU steht. Das gehörte bis vor kurzem zur DNA der Partei. Und wenn eine Parteileitung in der zentralen Frage Schweizerischer Politik einen so gravierenden Kurswechsel vornimmt, dann ist offensichtlich, dass das eine Rolle spielt. Zumal sich die Konsternation ja nicht auf Galladé beschränkt, sondern weite Teile der Partei und der Wählerschaft erfasst hat. Vor ein paar Wochen erklärte mir ein kluger Kopf aus der SP, den ich um Plausibilisierung bat, er könne es mir auch nicht erklären, Levrat sei aber als brillanter Stratege und Schachspieler bekannt, der wisse sicher genau, was er tue.

Aufklärung gab es – zumindest für mich – auch nicht in den verschiedenen Diskussionen auf sozialen Medien. Dafür erfasst mich eine zunehmende Irritation, weil so manche Genossen einfach nur die vorformulierten Wordings aus der Parteizentrale nachbeteten. Und zwar so mechanisch, dass es einem auffiel. Soviel anders als die SVP-Quotes, die für die Testimonials diverser Kandidaten verwendet wurden, ist das auch nicht. Was sonst eine politische Tugend ist, nämlich die Geschlossenheit einer Partei nach aussen, wird zum Verhängnis, wenn man deartige Kurswechsel nicht debattiert, sondern von oben herab verodnet. Dazu kommt: Die SPS ist ja auch sonst inzwischen stark von Juso-Leuten und den Gewerkschaften geprägt. Wenn man etwa in der Frage des venezolanischen Regimes nur die Zieglers, Wermuths und Molinas hört, dann macht das einem die SP auch nicht sympathischer. Kurzum, dass jemand vom rechten Flügel sich in der jetzigen SP nicht wohl fühlt und auch die Neuausrichtung der Europapolitik zum Anlass für einen Austritt nimmt, lässt sich leicht nachvollziehen.

Dass aber die Diskussion so heftig ist, hat weniger mit Galladé zu tun, sondern erstens damit, dass sich die SP bislang um diese Europa-Diskussion gedrückt hat. Sogar als die schlechten Umfrageresultate reinkamen, hiess es zuerst, das habe mit Europa nix tu tun, sondern sei nur, weil die Juso-Fraktion zu oft im Schaufenster sei. Zweitens hat die Diskussion zu tun mit den tektonischen Verschiebungen in der Parteienlandschaft und dem Streit darüber, wo das linksliberale Elektorat eine Vertretung findet. Ich kann davon ein Lied singen, politisch heimatlos ginge meine Wahlzettel meist wild panaschierend von der AL bis zur FDP. Die SP gehörte stets dazu. Seit der Europakehre nicht mehr. Und die interessanteste Partei ist auch für mich momentan die GLP. Dass die GLP der SP das linksliberale Elektorat abspenstig macht ist der zweite Grund, dass Galladés Wechsel eine solche Provokation ist.

Nun schreibt Daniel Binswanger die Positionierung der GLP als linksliberal sei blosses «Blendwerk» und verweist darauf, dass die GLP das Nein zum Kuhhandel mit der Umverteilung begründe. Es bleibt Binswangers Geheimnis, wieso ausgerechnet das die GLP zur «stramm rechten Partei» machen soll. Der AHV-Teil des Kuhhandels schiebt nämlich die dringenden AHV-Reformen auf die lange Bank, die wegen der zunehmenden Alterung der Gesellschaft angegangen werden müssen. Stossend an der Umverteilung ist, dass sie auf dem Buckel der jungen Generationen geschieht. Und fairerweise hätte Binswanger auch erwähnen müssen, dass die «stramm rechte» GLP den letzten AHV-Kompromiss gegen SVP und FDP mittrug.

Natürlich hat die GLP bislang oft bürgerliche Politik mitgetragen. Was also macht sie attraktiv, wenn man im politischen Koordinatensystem ganz oben am progressiven Rand steht? Und in der Links-rechts-Achse auch wirtschaftliche Interessen vertreten sehen will. Nicht nur die Gewerkschaftspositionen aus der Ära festgefügter Klassen? Die zweite Generation hat die GLP stark verändert. Nationalrätin Kathryn Bertschi etwa ist mit ihrer Alliance F und dem Einsatz für die Gleichberechtigung Homosexueller eine der glaubwürdigsten Vertreterinnen in Sachen Gesellschaftsliberalismus. Fraktionschefin Tiana Angelina Moser steht für eine Europa-Politik ohne Wenn und Aber. Und dazu stösst jetzt die dritte Generation, die sich stark aus der Operation Libero speist. Im Kanton Zürich haben mit Corina Gredig, der Chefin des glp-Thinktanks, und Nicola Foster, Mitgründer der Operation Libero und Gründer des aussenpolitischen Thinktanks foraus Leute das Ruder übernommen, die linksliberale Positionen sehr viel besser vertreten als die Wermuths und Levrats. Und – mit foraus – konstuktive Lösungsvorschläge für das Gewerkschaftsdilemma machen. In Bern ist mit Stefan Schlegel einer der klügsten Liberoköpfe auf der GLP-Nationalratsliste. Eine «stramm rechte» Partei sieht anders aus. Und diese Dynamik bloss als «Blendwerk» zu schmähen, bevor all die Leute richtig angefangen haben, ist nicht sehr fair. Die GLP ist momentan ein Versprechen für bürgerliche Wähler, die mehr Ökologie wollen. Und eines für SP-Wähler, die für Europa und pragmatische Politik stehen. Wessen Herz links schlägt, der kann ja die Grünen oder die AL wählen. Die SP muss sich zuerst einmal sortieren. Und je eher sie das tut, desto besser für das Land und für die Partei selber.

 

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