28.05.2015  _  Sonstiges Facebook

Anita Fetz ins Poesialbum gestanzt: Zur SRG-Abstimmung

Beim Bund steht eine wichtige Abstimmung an: Die Anpassung der Gebührenerhebung für die SRG. (Die Erbschaftssteuer hat eine so massive Gegenkampagne interessierter Kreise provoziert, dass sie nicht den Hauch einer Chance hat.) Eigentlich geht es bei der SRG-Vorlage bloss um eine technische Modernisierung sowie einen Abbau unnützer Bürokratie. Deshalb ist selbst der Gross-Wirtschaftsveband Economiesuisse als auch der Kleine-Gewerbeleute-Wirteverband für ein Ja. Warum also der grosse Aufschrei? Weil es nicht um die Vorlage geht. Sondern darum, die SRG sturmreif zu schiessen.

Von zwei interessierten Seiten: Einerseits den Verlegern, die hoffen, ohne SRG würden sie weniger unter dem technologischen Strukturwandel leiden und im Internet Geld verdienen. Dream on, folks. Andererseits frohlocken Blocher, Tettamanti und Co., die an einer Berlusconisierung der Schweizer Medien werkeln.
Die helvetische Medienlandschaft ist ja seit langem praktisch durchs Band bürgerlich. Der Angriff der Nationalkonservativen zielt deshalb auf eine markante Verschiebung hin zur SVP-Welt. BaZ wie Weltwoche haben Blocher & Co. schon in Besitz und auf Kurs gebracht. Um ein Haar hätte ein Blocher-Mann auch die NZZ übernommen, und die sogenannten „Freunde der NZZ“ etwa SVP-Banker Thomas Matter oder der Blocher-Adept und Milliardär Philippe Gaydoul arbeiten nach wie vor daran, dass man die NZZ, die ja weiss Gott ein solide bürgerliches Blatt ist, komplett auf SVP-Kurs trimmt.

Die grosse Ausnahme, der Tagesanzeiger, der immer wieder linksliberale Chefredakteure hatte, schlug sich unter dem politischen Irrlicht Strehle für die Masseneinwanderung in die Bresche. Und wohin der designierte Tagi-Chefredakteur Arthur Rutishauser geht, sieht man bei der Sonntagszeitung, die Rutishauser leitet. Nachrichtenchef wurde ein stramm rechter Weltwoche-Mann. Da, wo früher de Weck und später Schawinski kolumnierten, predigt heute der Blocher-Mann Konrad Hummler. Als Gegengewicht publizieren — auf weniger Platz — wechselnde politische Leichtgewichte. Das Tagesanzeiger-Magazin, das früher einmal Meinungstaktgeber war, ist heute — abgesehen vom Kolumnisten — politisch irrelevant. Kein Wunder, der ehemalige McKinsey Mann und Tamedia Verleger Pietro Supino setzt nicht nur knallharte Renditeziele durch, sondern redet auch überall mit, auf dass die Chefredakteure besingen lassen, was ihm frommt. Die letzte Annabelle-Chefredakteurin setze seine Verlegerheit vor die Tür, weil die nicht nur für Make-up, sondern — in alter Annabelle-Tradition — auch für abstimmungsrelevante Frauen-Anliegen trommelte.
Beim Blick hat mit dem ehemaligen Wirtschaftschef René Lüchinger, ein Missionar das Steuer übernommen, der glaubt, man müsse die Schweiz vor der Linken retten. Gegengewichte gibt es keine. Weder WoZ noch Tageswoche noch Sonstwas wären auch nur annähernd brauchbar genug, um gegen halten zu können. Kurzum, die Vorstellung, dass auf einem derart kleinen Markt wie der Schweiz, verlässliche, solide und faire Information von den Privaten erbracht würde, ist ein Witz. Und wer’s genauer wissen will, findet im Ausland genügend schlagende Beispiele, dass der freie Medienmeinungsmarkt meist eine Mär ist.
Nun gibt es noch eine dritte Gruppe, die die SRG hasst: Wir. Wahrscheinlich: Wir alle. Ob es die debilen Unterhaltunsshows sind oder das kreuzbrave Programm. Ob wir uns über die SVP-Anbiederung in Form der pseudohistorischen Geschichtssendungen ärgern oder ob wir schäumen, weil eine Kanaille in der Samstagsrundschau vom neuen Natinonalbankpräsidenten wissen will, was er gerne isst und was nicht. Ob wir die SRG verdammen, weil das einst rebellische DRS3 heute wie jedes Deppenradio klingt oder weil das Regionaljournal Zürich vor der Wahl den Regierungsratskandidaten Heiniger endlos zu seinem Hobby Sport statt zu Politik befragt, jedes mal schreit es innerlich: Wofür zahle ICHICHICH, der Konzessionszahler, eigentlich all diese Leute! Mit meinem Geld! Denn ganz besonders finde ICHICHICH! Kommt dazu: Schon lange hat man, wie viele Bekannte, weder TV-Apparat noch Radio.

Der Zorn auf SRF hat seine guten Gründe, aber wer auch nur einen Funken politischen Verstand hat, weiss, dass die Medienlandschaft und der Service Public nicht besser werden, wenn der scheinheilige Angriff auf die Modernisierung der Gebührenerhebung an der Urne triumphiert.

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Kommentar aus dem votez.ch-Newsletter

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