Ein Intrview, dass ich mit Iwan Wirth führt und dass in der SonntagsZeitung vom 08.08.1999 erschien. Scheint mir nach wie vor brauchbar. Wirth trennte sich in der Zwischenzeit von seiner operativen Partnerin Eva Presenhuber, die mit ihrer Galerie selber eine der grossen Nummern im Kunstmarkt wurde. Aber vieles was Iwan Wirth sagt, hält auch heute und würde er, so mutmasse ich, nach wie vor unterschreiben.
Der international erfolgreiche Schweizer Galerist Iwan Iwan Wirth über Obsessionen, den zeitgenössischen Kunstmarkt und sein Verhältnis zum Geld
VON THOMAS HAEMMERLI
Haemmerli: Herr Iwan Wirth, die Art in Basel vermeldete Rekordumsätze, die Biennale Venedig hat viele Kunstfreunde aus Übersee angelockt, und Sie haben in St. Gallen Ihr eigenes Museum eröffnet. Wie ist die Bilanz des Kunsthändlers Iwan Wirth?
Iwan Wirth: Wir hatten ein Superjahr. An der Messe haben wir voll auf die Programmkünstler gesetzt, die wir in der Galerie vertreten. Das war sehr erfolgreich, vor allem bei Käufern aus den USA.
Was heisst «Superjahr» in Zahlen?
Iwan Wirth: Das ist bei jeder Galerie wieder anders. Einer, der an der Art Picasso anbietet, hat andere Zahlen als wir. Und wir haben den Stand praktisch ausverkauft. Ein Hauptwerk von Fischli/Weiss ging gleich am ersten Tag weg. Von Dieter Roth hatten wir eine Arbeit mit 34 000 Dias. Wenn man das komplett zeigen will, braucht es 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Das verkauft sich nicht so leicht, aber wir haben zwei ernsthafte Reservationen. Es ist sehr gut gelaufen. Ich verrate aber keine Zahlen.
Was kostet die Kunst, die Sie feilbieten?
Iwan Wirth: Auch darüber schweigt man, wenn ein Werk einmal verkauft ist.
Wieso? Mit wie viel ist man dabei?
Iwan Wirth: Diskretion ist ein wichtiges Erfolgsprinzip. Für 1100 Franken kriegt man bei uns schon ein Foto von Signer.
Gibt es gegen oben eine Grenze?
Iwan Wirth: Nein. Aber an der Art lag die Schmerzgrenze der Käufer bei rund einer halben Million Dollar.
Wie hoch gehen Ihre Preise?
Iwan Wirth: Wir haben Werke, die gegen zwei Millionen Dollar gehen.
Und dafür erhält man …
Iwan Wirth: Ein Bild von Gerhard Richter.
Wie machen Sie an der Art Geschäfte?
Iwan Wirth: Ich bin ein schlechter Messegalerist, mich macht das Ganze nervös. Deshalb machen wir auch nur zwei Messen. Ich will mich auf ein Gespräch einlassen. Ich bin nicht der Typ für Messen.
Was für ein Typ sind Sie?
Iwan Wirth: Ich bin keine Einbahnstrasse. Kurzfristige Abschlüsse, nach denen man einen Käufer nicht mehr sieht, interessieren mich nicht. Ich glaube an die Kunst, die ich vertrete, die will ich gut platzieren. Und ich will langfristige Beziehungen.
Man hört, Sie seien ein Socialising-Genie.
Iwan Wirth: Kontakte knüpfen und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute zusammenzuführen, das gehört dazu. Aber privat bin ich eher zurückhaltend und gehe selten aus.
Drei Adjektive, die Sie beschreiben?
Iwan Wirth: Hmmmm. Schwierig.
Probieren Sie! Erstens?
Iwan Wirth: Erstens? Hmmmmmmmm. Naiv.
Zweitens?
Iwan Wirth: Ehrgeizig.
Und drittens?
Iwan Wirth: Das ist entscheidend. Grosszügig.
Warum naiv?
Iwan Wirth: Ich bin neugierig-naiv. Ich lasse mich auf Situationen ein, ich gehe Risiken ein und versuche – unbewusst – Spielregeln neu zu definieren.
Und? Klappts?
Iwan Wirth: In allem, was wir machen, versuchen wir, Spielregeln und Grenzen zu sprengen. Zum Beispiel, indem wir eine Galerie und eine Sammlung haben.
Das hatte man früher nicht gleichzeitig?
Iwan Wirth: Man hat es nicht kommuniziert.
Hilft es im Umgang mit der begüterten Kundschaft, wenn man selber sammelt?
Iwan Wirth: Weil wir neben dem Kunsthandel in der Programmgalerie jüngere Künstler haben, ist unser Publikum sehr gemischt. Es gibt Leute, die kaufen auf Abzahlung. Und die unterscheiden sich nicht von Leuten mit viel Geld. Entscheidend ist die Obsession, die jemand zu solchen Entscheidungen zwingt. Ob man im Monat funfhundert oder fünfzigtausend zahlt, ist egal.
Sie verkaufen auch auf Abzahlung?
Iwan Wirth: Lieber nicht.
Da kommen dann noch Zinsen dazu?
Iwan Wirth: Nein, das sind Zahlungsvereinbarungen, die man aushandelt.
Kunst kaufen vor allem Reiche, um sich dadurch von den andern zu unterscheiden.
Iwan Wirth: Das ist ja nichts Neues. Kunst ist ein Markt der Obsessionen, und der Kunstbetrieb ist ein System der Obsession, der Eitelkeiten, der Eifersüchte. Bis zur Sucht. Der Kunstmarkt ist ein Markt, der ausserhalb normaler Spielregeln funktioniert, mit dem muss man umgehen können. Als Sammler bin ich ja selbst ein Opfer davon.
Welche Rolle spielt das grosse Geld?
Iwan Wirth: Das Grossbürgertum hat immer den Markt und die Museen beherrscht, Sammlungen geschaffen und gestiftet. Was aber in den Neunzigern interessant ist: Die Mittelschicht interessiert sich vermehrt für Kunst und kauft auch.
Seit der Moderne ist Kunst erläuterungsbedürftig und erschliesst sich nicht ohne Vorwissen. Was Sie verkaufen, ist – wie Sie sagen – sperrig, schwer konsumierbar. Vermitteln Sie als Galerist auch Gebrauchsanleitungen, was Ihre Ware bedeutet?
Iwan Wirth: Natürlich. Vermittlung ist eine Hauptaufgabe. Ich bin täglich im Dialog mit Künstlern, Sammlern, Kunden, Mitarbeitern. Ich bin Mittler zwischen der Kunst und der realen Welt. Ich muss verschiedene mentale und emotionale Sprachen sprechen, um etwas von der Kunstwelt, vom Künstler auf die andere Welt zu transportieren und dort zu übersetzen. Dafür braucht es nicht nur Wissen, sondern auch emotionale Intelligenz.
Sie gelten als einer der erfolgreichsten Kunsthändler der Schweiz.
Iwan Wirth: In den Medien! Im Vergleich mit anderen in Basel oder Genf sind wir Peanuts. Wir vermitteln schillernde Sachen, neue Kunst. Das ist attraktiv. Und wir gehören zu einer neuen Generation. Absolut gesehen, sind wir nicht zuvorderst. Aber ich habe das Glück, mit einigen der wichtigsten Sammler für Gegenwartskunst zusammenzuarbeiten.
Wie verkaufen Sie?
Iwan Wirth: Ich weiss es nicht, ich bin kein intellektueller Mensch. Ich versuche für Künstler und Kunden, für jeden, eine Situation zu schaffen, in der er sich wohl fühlt. Es gibt kein Rezept. Und wir haben unseren Stil, zu dem Diskretion gehört.
Warum?
Iwan Wirth: Kunstsammeln offenbart die Obsessionen der Kunden, ihre Schwächen, ihre ganze Person, und das gehört nicht unbedingt an die Öffentlichkeit. Und es geht um mehr Geld, als wenn man Hosen kauft, das erfordert Sensibilität.
Ihr Unternehmen ist schnell gewachsen. Was ergeben sich für Schwierigkeiten?
Iwan Wirth: Man kann sich nicht mehr mit allen Mitarbeitern an einen Tisch setzen. Viel Zeit geht jetzt für die Kommunikation drauf. Und weil ich nicht besonders strukturiert bin, haben meine engsten Mitarbeiter die Hauptaufgabe, mich auf die Tagesprioritäten zurückzubringen.
Führen Sie? Oder werden Sie geführt?
Iwan Wirth: Ich führe gemeinsam mit meiner Frau. Und mit Eva Presenhuber.
Woher kommt Ihr Ehrgeiz?
Iwan Wirth: Ich bin nicht krankhaft ehrgeizig, habe aber eine innere Unruhe. Vielleicht ist es die Passion, das im Leben zu tun, was man will, das Hobby zum Beruf zu machen. Dann wird man automatisch ehrgeizig. Ich wäre ein Idiot, würde ich meine Arbeit nicht gut machen.
Auch andere Galeristen haben das Hobby zum Beruf gemacht. Was haben Sie mehr?
Iwan Wirth: Vielleicht meine Fähigkeit, Strukturen rasch zu durchschauen, schnell zu sehen, wie Sachen funktionieren. Und es ist ja ein kleines Land. Als ich hier in Zürich begann, war im Kunstmarkt ein Vakuum und eine depressive Stimmung. Da konnte man schnell an Boden gewinnen. Doch für mich beginnt die Arbeit erst. Ich werde mich daran messen, ob ich die international erfolgreichen Schweizer Künstler nachhaltig international verankern kann.
Warum gerade Schweizer Künstler?
Iwan Wirth: Heute haben wir eine Generation Schweizer Künstler, die hier lebt und trotzdem international erfolgreich ist. Bislang hat es die Schweizer Galerienszene nie fertig gebracht, ihre erfolgreichen Künstler international zu platzieren.
Was ist sonst noch das Programm?
Iwan Wirth: Mein Ehrgeiz muss sein, möglichst die besten Künstler unserer Zeit in der Sammlung und der Galerie zu haben.
Sie wollen Kunstgeschichte schreiben?
Iwan Wirth: Ich möchte meinen Beitrag leisten zu einer Kultur- und Kunstgeschichte. Mehr kann man nicht verlangen. Als Überzeugungstäter verhelfe ich Sachen, an die ich glaube, zum Durchbruch.
Was bedeutet Ihnen Geld?
Iwan Wirth: Die reale Welt basiert auf Stundenlohn, Leistung und Mehrwert. Die Kunstwelt ist eine geistige Welt, in der die Fantasie gilt und auch Preise ins Reich der Fantasie gehören. Ein Sigmar-Polke- Bild kostet so viel, wie ein Manager im Jahr verdient. Für Mitarbeiter ist es da zuweilen schwierig, ein normales Verhältnis zum Geld zu behalten.
Und für Sie?
Iwan Wirth: Geld ist immer ein Mittel zum Zweck. Es ermöglicht mir, auf künstlerische Positionen aufmerksam zu machen und sie durchzusetzen.
Das Kapital der Familie Hauser war doch ein Schlüsselfaktor für Ihren Erfolg.
Iwan Wirth: Meine Partnerin Ursula Hauser und ich haben klein angefangen. Ich habe auf neun Quadratmetern meiner Wohnung begonnen. Ursula Hauser ist eine zu gute Geschäftsfrau, als dass sie mir Carte blanche gegeben hätte. Wir haben uns jedes Jahr gemeinsam neue Ziele gesteckt. Wir wussten nicht von Anfang an, dass wir einmal ein Museum machen würden. Der Erfolg ist uns beiden und dann auch noch meiner Frau zuzuschreiben, die im zweiten Jahr dazukam. Und einige der besten Leute der Kunstbranche arbeiten heute bei uns.
Seit wann können Sie finanziell mit der grossen Kelle anrichten?
Iwan Wirth: Nie! Ich richte auch jetzt noch nicht mit der grossen Kelle an.
Verglichen mit andern Galerien!
Iwan Wirth: Das ist doch keine Frage des Geldes, sondern der Energie, die man hat.
Energie reicht nicht!
Iwan Wirth: Doch!
Energie ist eine Voraussetzung!
Iwan Wirth: Absolut. Die Voraussetzung, etwas Aussergewöhnliches zu schaffen.
Um als Kunsthändler schnell reagieren zu können, brauchen Sie viel liquide Mittel. Mit der Programmgalerie tätigen Sie Investitionen in Künstler, die nur langfristig Resultate zeigen. Und die installative Kunst, die Sie favorisieren, zieht hohe Produktions- und Lagerkosten nach sich.
Iwan Wirth: Ja. Aber wir erarbeiten diese Mittel selber. Es gehört natürlich zu jedem Unternehmertum, dass man schnell reagieren kann und eine Kriegskasse hat.
Und die Kriegskasse stammt doch von Ihrer Partnerin und von Ihrer Schwiegermutter Urusla Hauser?
Iwan Wirth: Die kam ursprünglich von Ursula Hauser, heute sind aber andere Inputs wichtiger. Sie ist Sparringpartner und eine strategisch denkende Person. Und meine zweitbeste Kundin (lacht).
Sie sagen, von Ihrer Schwiegermutter und von Ihrer Frau käme die härteste Kritik.
Iwan Wirth: Richtig.
Wann dachten Sie das letzte Mal: Doch, da haben die beiden eigentlich Recht.
Iwan Wirth: In der jetzigen Expansionsphase sind sie eher vorsichtig. Ich muss wegen jedem zusätzlichen Mitarbeiter diskutieren. Ursula Hauser weiss als Unternehmerin, dass es rauf- und runtergeht, und ist deshalb vorsichtig gegenüber Schulden, Abhängigkeiten und Fixkosten.
Sie haben die Bankschulden tief gehalten?
Iwan Wirth: Dazu sage ich nichts.
Ihre Schwiegermutter ist Geschäftspartnerin, Ihre Frau arbeitet mit, Ihr Vater leitete die Renovation Ihres Museums in der Lokremise. Brauchen Sie einen Clan?
Iwan Wirth: Das ist mir auch aufgefallen. Ich bin ein Familienmensch. Ein Teil meiner Familie ist aus Italien eingewandert.
Was waren die wichtigsten Stationen?
Iwan Wirth: Ich war sehr froh, als die Schule fertig war. 1990 wusste ich, jetzt geht es nur noch um Kunst. Begonnen haben wir mit dem Handel von klassischer Moderne.
Wo findet man solche Bilder? Und wem verkauft man sie dann?
Iwan Wirth: Ich habe damals Bilder aus der Privatsammlung von Ursula Hauser verkauft. Sie wollte ihre Sammlung verbessern, ich schlug ihr vor, Richtung Gegenwartskunst zu gehen. Es war gerade der Peak des Golfkrieges und das Ende des Kunstbooms. Aber die Frage ist berechtigt: Woher kriegt man gute Sachen? Das Hauptproblem ist, Spitzenwerke zu finden, nicht, sie wieder zu verkaufen.
Woher wissen Sie, wer verkaufen will?
Iwan Wirth: Ich habe ein breites Netz von Informanten, mit denen ich ständig kommuniziere. Und es gibt im Handel Leute, die haben keine eigene Galerie, die reisen nur herum, besuchen Sammler. Da tut man sich zusammen, wir finanzieren beispielsweise den Ankauf von Werken und verfügen über Kontakte zu Sammlern.
Als Sammler haben Sie in St. Gallen Ihr eigenes Museum. Können Sie vereinfacht erklären, was Sie momentan zeigen?
Iwan Wirth: Momentan eine Einzelausstellung von Paul McCarthy. Will man das vereinfachen, muss man sagen: Der Mann kommt aus Kalifornien, dem Ort, an dem Film, Fiktion, Walt Disney, all die virtuellen Realitäten herkommen. Mit den Phänomenen dieses Wirklichkeitsbegriffes setzt er sich auseinander. Er macht das mittels Überzeichnung dieser scheinbar harmlosen, mundgerecht konsumierbaren Fernsehwirklichkeit, um uns bewusst zu machen, welches Bild von Wirklichkeit wir täglich konsumieren.
Man sieht in der Ausstellung mit Schokoladencrème supponierte Fäkalien. Wie passt das ins virtuelle Kalifornien?
Iwan Wirth: Die Interpretation ist der Fantasie überlassen. Schokolade und Ketchup stehen für verschiedene Dinge und Zustände. Unter anderem sind sie Metaphern für Fäkalien und Blut. Das eine, das Fäkalische, kommt aus dem Unterbewusstsein, das andere, das Blut, ist aus der Kinorealität. Ketchup steht für die amerikanische Konsumgesellschaft, für McDonald’s, Cowboys, Hollywood. Die Schokolade steht für das, was die amerikanische Gesellschaft tabuisiert. Was man in St. Gallen sieht, ist völlig harmlos im Vergleich zu dem, was uns täglich im Fernsehen zugemutet wird. Aber richtig, Ignoranten sehen nur Scheisse. Und überhaupt, was ist gegen Scheisse zu sagen?
Sie sagen, Sie interessiere die Forschungsarbeit, die Künstler machen.
Iwan Wirth: Jeder Künstler, mit dem ich mich intensiv auseinander setze, erklärt mir mehr von der Welt, zeigt mir einen neuen, erweiterten Begriff der Welt, lädt mich als Gast in seinen Kosmos.
Sie ermöglichen Kunstwerke, indem Sie sie vorfinanzieren. Warum ist das nötig?
Iwan Wirth: In der Malerei braucht es nur Leinwand, Keilrahmen und Farbe. Aber unsere Künstler arbeiten mit komplexen Mitteln, mit neuen Medien wie Video, mit komplizierten Installationen. Da kommen Spezialisten aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen, das ist wie eine Filmproduktion. Es braucht Maskenbildner, Schauspieler, einen Architekten, den Regisseur. Das kostet.
Um was für Budgets geht es?
Iwan Wirth: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Künstler, die brauchen 5000 Franken als Vorfinanzierung, und andere Werke kosten Hunderttausende. Jason Rhoades und Paul McCarthy haben für die Biennale Venedig eine Arbeit realisiert, deren Produktion über 100 000 Dollar kostet.
Was ist dabei heraus gekommen?
Iwan Wirth: Eine sehr komplexe Arbeit, die vor einem Jahr in Los Angeles begann. Dort stellten sie uns ihre Filmfirma New Helvetia Productions vor. Dafür musste man Räume im Hotel Peninsula mieten, allein das hat ein kleines Vermögen gekostet. Dort liessen sie auf Tischen Donuts und Käse aufbauen und präsentierten die Produktionsfirma, um uns zu Investitionen zu überreden. Sie engagierten Schauspieler, die vorgaben, sie kämen von Sony und Walt Disney. Eine Crew filmte das Ganze, und das sieht man jetzt als Arbeit in Venedig, zusammen mit dem Käse und den Donuts, die in Vinyl produziert wurden.
Wenn ein Künstler etwas Aufwändiges macht, wie gehen Sie das ökonomisch an?
Iwan Wirth: Die Künstler sind in der Regel realistisch, was Kosten anbelangt. Das Bild des Künstlers als Chaot trifft nicht zu, sie sind oft sehr strukturiert. Man weiss, wer das Budget nie überschreitet, wer es um 100 und wer es um 300 Prozent überschreitet. Aber darin sind sie dann konsequent, damit kann man rechnen.
Also immer: Erst das Budget, dann der Schaffensrausch?
Iwan Wirth: Absolut. Es kommt einer mit einer Idee zu uns. Dann muss erst abgeklärt werden, ob sie überhaupt realisierbar ist. Und was es kosten könnte. Und man diskutiert, ob man eine Arbeit zu der Preislage überhaupt verkaufen kann. Ein junger Künstler, der keinen Markt hat, kann nicht alles machen.
Sie sagen dann: «Sorry!», Forschung hin oder her, das geht leider nicht?
Iwan Wirth: Das kommt eigentlich nicht vor. In der Regel kennen die Künstler ihre Grenzen. Am Schluss geht es um die Finanzierung. Und gewisse Infrastrukturen haben wir auch selber. Verglichen mit einem Bild ist das eine mühsame Arbeit, so Geld verdienen zu müssen.
Wie machen Sie das mit dem Transport, dem Auf- und Abbau der Installationen?
Iwan Wirth: Das ist eigentlich ein einziger Alptraum. Wenn man das nicht wahnsinnig lieben würde, man würde es niemals machen.
Erzählen Sie vom Alptraum.
Iwan Wirth: Für eine installative Ausstellung brauchen wir manchmal mehrere Überseecontainer, Lastwagen, einen Kran, der das Ganze in die Galerie hievt. Für Richard Jackson mussten wir einen Schnitt in die Türe machen, damit das Objekt gerade noch reinging. Dann haben wir zweieinhalb Wochen aufgebaut.
Da geht auch mal was richtig böse schief?
Iwan Wirth: Davon wollen wir schweigen.
Kommt vor?
Iwan Wirth: Aber sicher (lacht).
Richard Jackson steht. Und dann?
Iwan Wirth: Versuchen wir zu vermitteln. In dem Fall haben wir verkauft, dann abgebaut und alles ins entsprechende Lager gebracht.
Heute hat man keine mit Petersburger Hängung gefüllten Wände mehr. Heute hat man ein Lager. Privatpersonen besitzen Sammlungen mit Werken, die sie nie sehen können.
Iwan Wirth: Private haben schon immer die besten Sammlungen zusammengetragen. Aber die Museen sind nicht einmal in der Lage, die eigenen Bestände anständig zu zeigen. Und da sagen sich die Sammler, ich gebe doch meine Sammlung nicht ins Depot.
Gibt es zu viel Kunst?
Iwan Wirth: Es gibt zu viel, das aussieht wie Kunst. Es gibt eine Inflation der Kunstwerke und der kulturellen Veranstaltungen. Früher gab es zwei Biennalen, heute gibt es eine in jeder grösseren Stadt. Das hat aber nichts mit den Sammlern zu tun. Es könnten noch mehr Leute ein inneres Konto für die Kunst eröffnen.
Und dann schlummern all die schönen Sachen in Depots vor sich hin?
Iwan Wirth: Das darf man einen Sammler nicht fragen. Wenn man sich entschieden hat, über das hinauszugehen, was man aufhängen kann, dann lässt sich das nicht erklären. Für unsere Sammlung war die Rechtfertigung die, dass wir sagten, wir machen sie in St. Gallen öffentlich.
Die Präsentation Ihrer Sammlung hat die Kritik verstärkt, Sie seien ein Kunsttycoon, der zu gross und zu mächtig werde.
Iwan Wirth: Unsinn! Diese Leute haben einen zu kleinen Horizont. Das ist so lokal und provinziell gedacht und mir egal. Meine Realität verläuft nicht die A 1 entlang. Ich bin ein kleiner Fisch in einem grossen Teich. Ein kleiner Fisch, aber ein schneller.
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Herr über ein Kunstimperium
Iwan Iwan Wirth, zur Zeit des Interviews 29, startete mit dem Handel klassischer Moderner. Aufsehen erregten Ausstellungen von Gerhard Richter und Bruce Naumann. Die Galerie Hauser & Iwan Wirth gründete er mit der Sammlerin und Jelmoli-Teilhaberin Ursula Hauser, die das nötige Kapital einbrachte. 1998 eröffnete Iwan Wirth eine zweite Galerie zusammen mit der renommierten Galeristin Eva Presenhuber, die wichtige Schweizer Künstler mitbrachte.
Ein eigenes Museum
Gemeinsam vertritt man Fischli/Weiss, Pipilotti Rist, Ugo Rondinone oder Roman Signer. Und in St. Gallen wurde unlängst ein Museum für die eigene Sammlung eröffnet. Iwan Wirth ist verheiratet mit Manuela Hauser, der Tocher seiner Geschäftspartnerin. Mit ihr führt er die Unternehmung, sie haben einen Sohn und leben in Zürich. (Stand 1999)
Galerie Hauser & Wirth: http://www.hauserwirth.com/
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Ein Kommentar
1
Walter Werner
Herr Wirth ist ein Wichtigtuer, der an seiner Meinung nach gering geschätzte Künster gemeine, annonyme Breife schreibt.
Ich habe diesen gelesen, in dem er nur seine Nachnamen angab (keine Adresse, oder sonstiges) und den betroffenen mit internationaler Vernichtung drohte.
Er erzührte sich, da dieser bei einem individuellen Werk den Stil weitläufig von dem Bildhauer Herrn Kühmlein nachamhte.
Der Breif ist eine einzige Frecheheit. Er hatte diesen Menschen zerstört. Gratuliere!!!
Walter Werner
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