Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 13.03.2011
Vor zehn Jahren jammerte ich in meiner NZZ-Kolumne „Der Elektro-Nomade“ daüber, dass ich mit sieben Adaptern reisen musste. Je einen für den MP3-Player, das Handy, den Psion-Organizer, den Fotoapparat, die Digitalkamera, den Laptop sowie die externe Festplatte. Besser geworden ist das nicht. Zwar sind der MP3 Player und der Organizer im Smartphone aufgeganen. Dafür reise ich jetzt mit zwei Kameras. Und mit zwei Laptops, weil es mich vor Ungeduld fast zerreisst, wenn ich zusehen muss, wie Programme vor sich hintrödeln, Webpages sich in Zeitlupe aufbauen und Bälkchen signalisieren, es dauere noch sieben Minuten. Ich möchte mich dann in der Tischplatte verbeissen, und Abhilfe schafft nur der Zweitrechner. Kurzum, noch immer reise ich in Begleitung von Adapter-Heerschaaren, und Übergepäck-Strafen vermeide ich nur mit finsteren Tricks.
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Der EU-Kommission sei Lob und Dank, wenigsten die Handy-Adapter werden jetzt vereinheitlicht. Freiwillig hätten das die Rosstäuscher der Tech-Branche, die mit unnützem Schrott satt Geld einstreichen, nie gemacht. Rund 50‘000 Tonnen Adapterabfall fielen bisher in Europa an. Jährlich. Diese Zahl dürfte locker steigen, sollte ich einmal meine Elektronik-Schubladen aufräumen. Dummerweise weiss ich von vielen Adaptern nicht mehr, wozu sie passen. Und meine Paranoia ist gross, denn in drei Sony-DV-Kameras sitzen noch Cassetten fest, weil ich die Adapter nicht mehr finde.
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Der Sony-Konzern erhob die Inkompatibilität zur Strategie. Der Memorystick passte zu Sony und zu sonst nichts. Jede Sony Kamera hatte einen anderen Adapter, weshalb ich heute einen grossen Bogen mache, wenn mir ein Sony-Produkt begegnet. Komme mir bloss niemand damit, Vereinheitlichung würde – auch ohne die Daumenschrauben der EU-Kommission – vom Markt geregelt. Vergessen Sie’s! Noch heute entstehen bei simpelster Email-Kommunikation zwischen Windows und Mac-Rechnern gerne die gefürchteten windat-Dateien, die niemand öffnen kann. Mein neues HTC-Desire-Handy lässt sich nicht richtig mit dem neusten Outlook synchronisieren. Und mit Schaudern denkt man an die volkswirtschaftlichen Schäden, die inkompatible Adapter, Kabel, Dateien und Programme verursachen.
Marktwirschaft mag taugen, wo Transparenz und Vergleichbarkeit herrschen, beim Irrsinn der Elektronikbranche aber wünschte ich mir mehr Brüssel, mehr Plan- und mehr Kommandowirtschaft.
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6 Kommentare
1
Hannes Keller
Hi
Sie schreiben mir aus dem Herzen. Adam Smith hat recht –
ausser es ist neblig auf dem Marktplatz. Dann können die Frauen
weder die Schönheit noch die Preise der Kartoffeln so direkt
vergleichen. Wenn es zugleich nieselt, haben die Frauen keinen
Bammel um Kartoffeln vom Acker wo der Bauer Viagra mit einpflügt
und jenen wo eine Familie täglich dreimal rituell hinpisst auf
Wünschbarkeit zu untersuchen.
Fazit: Sony vernebelt den Markt Standard Oil kontrollierte die Bahntransporte – bis jemand ihn mit Pipelines austrickste.
Microsofts Chef habe einen der sei micro und soft – schön zu
hören – nutzt mir aber nix. Man muss Lizenzzahlungen an MS umgehen, weil man sich sonst wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung strafbar macht.
Ich mache gerade experimentelle videoclips zu klassischer Musik.
Siehe youtube.com tartarov und tartarov.ch
Herzliche Grüsse – Sie können meinen Namen usw benützen für gute
Zwecke.
2
HB
Ja das ist super greifen Sie das mal auf. Das mitschleppen von all diesen Adaptern. Ich denke nicht an ein ende dieses Horror, da wird vorläufig noch weiter gewurstelt bis zum Geht nicht mehr. in den letzten Ferien hatte ich fast eine Tasche mit Adaptern gefüllt. Ich finde es daneben wenn man ein neues Handy kauft von der selben Marke braucht man wieder einen neuen Adapter. einfach ein Horror. Bis wenn sollte der EU Beschluss greifen? weiss das jemand. Ich bin im Besitz eines iMac Jedes mal wenn ich eine neue Version lade (Snow Leopard) kann ich das Nokia Natel nicht mehr Synchronisieren. Nokia ist sehr gut in der Bedienung und der Preis ist auch noch im Rahmen, ich muss telefonieren können mit dem Natel, alles andere ist Beilage die ich nicht Brauche.darum möchte ich auf keinen fall wechseln zu iPhon.
3
HB in Lenzburg
Wurde auch mit dem Problem fast nicht fertig, ich hatte auf ein neues Android Handy Sony X10 umgestellt. Ich musste dann noch drei mal den Swisscom Shop aufsuchen bis das gnze funktionierte und das Wohlverstanden mit ca. 6 Std. Gesamtzeit, nur für die Software Suche der Synchronisierung mit Outlook. Mittlerweile funktioniert das ganze aber für einen nicht Compy Fachmann ist das überaus mühsam. Dann kommt hinzu dass wieder alle Zusatz Geräte wie Kophörer Adapter etc.einen anderen Anschluss haben
HB/14.02.2011
4
Fiona Flannery
Herr Haemmerli, Ein interessanter Kommentar in der gestrigen Ausgabe der SonntagsZeitung!
Hier noch ein paar Feedbacks seitens Sony: Unsere neuen Cyber-shot Modelle werden mit USB Ladegerät ausgeliefert. Auch unsere Handycam Modelle haben im Handgriff ein USB Kabel integriert. Zudem bieten die neuen Kameras von Sony neben dem Memory Stick auch SD Karten Slots und sind somit im direkten Vergleich kompatibler als die Kameras unserer Mitbewerber. Die letzten Entwicklungen zeigen also, dass wir klare Bestrebungen in Richtung Kompatibilität vornehmen.
Fiona Flannery
PR Manager
Sony
5
Manon
Nach Jahren hatte ich den dringenden Wunsch endlich dem PC-, Mobil-, TV- und -Adapter – Kabelgestürm den Garaus zu machen. Der Kehrichtsack wurde zu 75% gefüllt und dann weg damit. Das war vor 5 Tagen. Jetzt wollte ich unbedingt mein altes Handy bereit stellen, damit ich in Spanien nur den Chips kaufen muss. Dummerweise habe ich den Akku bei meiner Aufräumaktion auch entsorgt.
6
haemmerli (Autor)
@Manon Falls Sie in Zürich wohnen, würde ich den Kanzleiflohmarkt, Helvetiaplatz jeweils am Samstag empfehlen. Da finden Sie ziemlich sicher ihren Handy-Adapter wieder. Leider finden sich dort die Sony-Adapter nicht, weil die dermassen vielfältig waren. Aber, es scheint auch Hoffnung zu geben, wie Frau Flannery bestätig.
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