16.01.2011  _  Kolumne + Bier + Corno + Indio + Shopiing-Center + Shopping-Mall Facebook

Leben im Shopping-Mall

Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 16.01.2011

Es ist Odorama. Meine Wohnung im elften Stock einer Shoppingmall blickt auf die Corona-Fabrik, und immer riecht’s nach Brauerei.
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Aussicht auf die Corona-Fabrik
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Ständig erinnere ich mich wie es im verflossenen Jahrhundert plötzlich das Allergrösste war, statt einer Stange ein Corona zu kippen, in dessen Flaschenhals ein Zitronenschlitz steckte. Passé. Und selbst in Mexiko trinkt der Markengeck statt Corona momentan lieber Indio.

Meine Vermieterin hatte mir raserschnelles Internet verheissen und mir ausgemalt, wie ich in Finken shoppen und mit dem Einkaufswagen bis in die Wohnung fahren würde. Keine Sorgen bräuchte ich mir zu machen, das Putzpersonal kümmerte sich ums Wägelchen. Begeistert unterschrieb ich. Später fiel mir ein, dass ich ja kaum einkaufen gehe. Und der Einkaufswagentrick funktioniert nur, wenn man per Lift in die Tiefgarage fährt, dort einem dienstbaren Geist zehn Pesos zusteckt, damit man in dem Labyrinth zum Eingang HS1 findet, wo man dann wieder Lift fährt.
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Statt einkaufen gehe ich in Restaurants, hier dummerweise ein Steakhouse, in dem ich Wachstumshormonfleisch verzehre in Portionen von 300 Gramm aufwärts.

Also per Lift stracks ins Fintesszentrum „Sportcity“, das vor allem Laufbänder anbietet. Wer rennt, ist ein Ausnahmeheld. Die begüterten Mexxen, die hier trainieren, gehen auf ihrem Laufband und tippen dazu SMS. Der Vorteil gegenüber kommunem Spazieren liegt auf der Hand: Man fällt beim SMSsen weniger auf die Schnauze. Abgesehen von der Security! In Mexiko ist man ja fix entführt.

Drum wird nachts das ganze Einkaufszentrum hermetisch verriegelt. Vom bewachten Eingang latscht man durch Gänge und die Tiefgarage bis zur eigenen Wohneinheit dermassen weit, dass alle Weg-Zeit-Effizienzgewinne, die man mit Shopping im eigenen Heim eingefahren hatte, genau so verfallen wie der Hang zur Zitrone im Bier.

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