Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 25.04.2010
Wer den Mann sprechen will, hat sich dienstags um 11 Uhr im Conejo Blanco, einer angesagten Bar mit Buchhandlung, einzufinden. Dort sitzt schwer Medina, ein grosser, ein wuchtiger, ein bedeutender mexikanischer Intellektueller. Pausenlos klingelt sein iPhone. Es erscheinen: Ein Kaffee. Ein von ihm betreuter Postgraduater, den Medina lobt, weil er kein Kleinbürger, sondern ein echter Sohn des Volkes sei, was eine ganz eigene Perspektive ermögliche. Und es erscheint eine Dame um die Vierzig mit so langen Filzdreadlocks, dass wir von der Spurensicherung vermuten müssen, es seien artifizielle Haarverlängerungen. Wobei sich die Erscheinung gegen die Bezeichnung „Dame“ wahrscheinlich wütend wehren würde. Alles an ihr ist akkurat abgewrackt. Die Stiefel sind klobig und betont unelegant, die Hosen im Ich-arbeite-ja-sonst-auf-einer-Ölbohrplattform-Stil. Medina unterschreibt ihr einen Scheck für ein Manuskript, während dringend sein iPhone klingelt. Derweil trabt Frau Dreadlock herum und erklärt ihrem Handy so lautstark, dass wir alle mithören müssen, Étienne Balibar (ein marxistischer Philosoph) käme an den Kongress. Medina zündet sich eine Zigarette an, und endlich kommt eine Zeitparklücke, so dass ich etwas fragen kann. Medina startet im sechzehnten Jahrhundert, streift Foucault, Baudrillard und den Unterbau-Marxisten Althusser, zitiert den Überbau-Marxisten Gramsci und sagt apodiktisch: „Mexicos Drogenkrieg ist ein revolutionärer Aufstand gegen die herrschende Elite!“ Ich bin verblüfft. Frau Dreadlocks Gefährte, mit obligatorischem Zickenbart und Computer-Umhängetasche, flätzt im Sessel, raucht und blättert gelangweilt in dicken Büchern, die er – vermute ich – nie lesen wird.
Plötzlich weiss ich, was mir an Salonrevolteuren am Verlogensten erscheint: Es sind die Apple-Produkte. Elektronik von einem US-Konzern, dessen Produkte zwar hübsch aussehen, der seinen Kunden aber autoritär vorschreibt, was sie sehen und machen dürfen und was nicht. Satire beispielsweise ist auf iPhone-Apps unterbunden. Und: Apple-Produkte bevormunden nicht nur, sie sind auch so teuer, dass überall auf der Welt, wo Kosten eine Rolle spielen, Intelligenzler, ja selbst Grafiker und Künstler Linux oder Windows (meist eh piratiert) verwenden. Weil sie wissen, dass Apple mit Marketing-Schmäh, mit Sehet-her-wir-bringen-euch-das-Heil!-Aktionen und schmuckem Design bloss den Filzfrisuren, Ziegenbärten und Salonrevolutionären dieser Welt das locker sitzende Geld aus der Carhartt-Hosentasche zieht.
Protestnoten an: www.haem.ch
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Was alles Apple verhindert & verbietet, wo überall Apple seinen Kunden das technisch Mögliche vorenthält, auf Grund von Profitkalkül oder ideologischer Borniertheir, das geht auf keine Kuhhaut.
Es reicht kombiniert Begriffe wie Apple & verhindert oder Apple & verbietet in Goolge einzugeben, um zu sehen, dass die Saga von der kleinen, aber feinen und guten Kreativfirma, die den grossen Bösen die Stirn bietete nichts ist als eine Lebenslüge der Design süchtigen und Mode affinen Kreativmilieus.
27.04.2010
Zur hässlichen Seite von Apple gehört auch, wie paranoid der Konzern sich gegen die eigenen Leute verhält, wie spiegel-online beschreibt.
Und verwunderlich wäre, wenn bei der Hausdurchsuchung bei einem Tech-Blogger, der über ein neues iPhone berichtete, die Polizei ganz von alleine auf die Idee gekommen wäre, den Mann einzuschüchtern.
Was für eine Firmenkultur Apple pflegt, zeigt auch der neuste Vorfall, bei dem sich die US-Talkmasterin Ellen DeGeneres wegen eines kleinen Scherzchens entschuldigen mussste.
Zu Hoffnung gibt Anlass, dass wenigstens in Deutschland sich Widerstand gegen die Apple-Zensoren regt.
Viel Freude macht ein neuer Kommentar im Spiegel, der sagt, was zu sagen ist.
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