Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 28.3.2010
Obwohl er etwas schlaksig wirkt, kann man Kachelmann den gewieften TV-Moderatoren eigenen Schneid nicht absprechen, wie er da wippenden Ganges ins Verhörzimmer stürmt. Kachelmann trägt eine schwarze Lederjacke (siehe auch Kolumne über den „Schlafzimmerräuberlook“ ) und ein gestreiftes Matrosenleibchen, das in diesem Kontext subtil auf Sträflingskleidung anspielt und Kachelmanns Selbstironie auch in schwierigsten Situation belegt.
Kachelmann (strahlt): „Schönen guten Tag und herzlich willkommen bei unserer Einvernahme!“
Verhörrichter: „Ihr Name?“
Kachelmann: „Jetzt darf ich es ja sagen: Sie haben das schöne Wetter mitgebracht.“
Verhörrichter: „Herr Kachelmann! Ihr Name?“
Kachelmann: „Kachelmann. Jörg. JK. Wetterman. Erfinder des Humors im Wetterbericht. Kurt Felix der Isobaren. DJ Bobo der Isobaren. Wetterfrosch. Sturmwettertalker. Wetterinär. Meister der Vermarktung. Kachelfrosch. Wetterwart. (lacht ansteckend) Wenn Sie wüssten, was man mir schon alles angehängt hat.“
Verhörrichter: „Sie wissen um die schweren Anschuldigungen. Was ist an jenem Abend vorgefallen?“
Kachelmann: „Die Wolkenwurscht hatte auch den Rhein-Neckar-Kreis erwischt, weil sich ein Tief reinkringelte. Dann zog es langsam ab, man sah, das Ganze wird schwächer und sich gegen Nacht beruhigen. Am Schluss legte sich ein Hochdruckgebiet über uns drüber.“
Verhörrichter: „Herr Kachelmann, ich will wissen was in der Wohnung war!“
Kachelmann (verblüfft): „?“
Verhörrichter: „Ok. Ok. Wie war das Mikroklima in der Wohnung?“
Kachelmann: „Es ist gopfertelli ziemlich heiss geworden.“
Verhörrichter: „Ist es zu Geschlechtsverkehr gekommen?“
Kachelmann: „Es flöckelte Zucker auf unsere Flachlandtannen. Also: Guten Nachrichten für Winterliebhaber!“
Verhörrichter: „Wie haben Sie die Klägerin kennen gelernt?“
Kachelmann: „Ein Gewitter, das die Sau rausliess, gab ein schwüles Feeling. Doch dann liess die Sonne florale Freuden aufkommen. “
Verhörrichter: „Und?“
Kachelmann. „Ich krieg immer ein Hoch.“
Verhörrichter: „Die Vorwürfe gegen Sie wiegen schwer. Sie bestreiten nach wir vor?“
Kachelmann (breitet die Arme aus): „Hey! Einer wird gewinnen!“
Verhörrichter: „Und die Indizien?
Kachelmann: „Von der fraglichen Nacht habe ich die Daten all meiner Wetterstationen im Umkreis von 75 Kilometern bei einem Notar hinterlegen lassen. (fuchtelt) Das ist doch alles frei erfunden! Genauso wie diese Szene hier!“
Haemmerli (aus dem off): „Aber mit echten Kachelmann-Zitaten montiert.“
Kachelmann (winkt): „Das war’s! Danke! Bis zum nächsten Mal!“ Kachelmann wird abgeführt. Und noch beim Besteigen des vergitterten Gefängniswagens lächelt der Mann frohgemut in jede Kamera.“
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Die Bilder von Kachelmann, der lächenld vom Verhör kam, lächenld zum Gefägnistransporter schritt und in die Kameras lächelte, irritierten. Blick-Sex-Kolumnistin Eliane Schweizter mutmasste, dass das der Gesichtsausdruck gewesen sei, wenn er Verdächtigungen wegen seiner parallelen Frauengeschichten mit Charme hätte abwimmeln wollte.
In BILD analysierte der Psychotherapeut Stephan Lerner: „Er zeigt sich der Öffentlichkeit mit einem Siegerlächeln. Dieser Mann ist von seiner Unschuld überzeugt. Der Kopf ist aufrecht, er versteckt sich nicht.“
Klar ist, der Mann zeigt, was er als TV-Moderator kann: Lächeln wenn ein Auftritt ansteht. Und sei’s als U-Häftling. Wie man von den Untersuchungsbehördern gehört hatte, wollte Kachelmann die kurze Konfrontation mit den Medien. Und bei einem Kommunikatiosprofi ist da nichts zufällig. Kachelmann sagte zu handen des TV-Publikums. „Ich bin unschuldig.“ Das gewohnte Lächeln sollte sagen: „Alles wie immer. Ich schlafe ruhigen Gewissens. Alles wird sich aufklären. Ich bin unschuldig.“
Hat aber nicht funktioniert. Deshalb die Irritation allerorten. Das Lächeln wirkte unnatürlich, was es beim Profi zwar meist ist, aber genau das macht den Profi aus: das sein unatürliches Lächeln echt wirkt.
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Es stellt sich die interessante Frage, was die richtige Mimikkommunikationsstrategie für eine deartige Lage wäre. Ich vermute: Man müsste etwas zerknirschter wirken. Dazu würde man sagen: „Ich bin unschuldig. Ich hoffe, dass sich bald alles aufklärt.“ Die Botschaft müsste also noch einen Dreh Richtung Opferrolle kriegen, es müsste mit schwingen: „Ich sitze hier als Unschuldiger! Und es ist verdammt unangenehm.“
Allerdings dachte ich, als ich an dieser Kolumne werkelte, nur kurz an technische Finessen in Sachen Krisen-PR.
Die Kolumne war viel Arbeit. Zwar glaubte ich, die Kachelfroschsprüche zum Wetter als popsprachliches Allgemeingut noch im Ohr zu haben. Aber sucht man im Netz, ist die Ausbeute mager. So quälte ich mich durch alle Kachelmannartikel seit 1989 hindurch und durch alles, was youtube hergibt.
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Das Fazit: Zum Glück muss ich sonst all den Showbizsumms nicht lesen. Einer schreibt dem anderen an, dann kommt wieder ein neuer Minipups und nochmals drei bis sieben neue Artikel mit Variationen des ewig Gleichen. Die obigen Zitate sind jedenfalls von Kachelmann bzw.so wie er zitiert ist. Die beiden bekanntesten Wortbildungen, die „schlürfenden Winde“ sowie die „Blumenkohlwolken“, die so häufig angeführt werden, hat er, laut eigenen Angaben, so gar nie gesagt.
Das zweite Ergebnis der Kachelmannstudien: Der Mann wurde mir sympathisch. Weil ich mich weder für Wetter noch für Samstagabendkisten interessiere und ohnehin kaum TV sehe, hatte ich Kachelmann – ausser den kessen Wettersprüchen – kaum je wahrgenommen. Der Mann wurde mir sypmatisch, weil er kein Grosskotz, sondern recht normal und in Interviews bescheiden ist.
Weil er ein Anti-Obskurantist ist, der den ganzen abegläubischen Wetter-Esoterikern mit aufklärerischer Verve Saures gibt.
Weil ich die schnoddrige Art mag.
Und weil er als Selfmademan eindrücklich reüssiert hat.
Dann wurde mir ein wenig blümerant. Ich dachte: Entweder er ist unschuldig. Und dann ist das Ganze eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Und es wäre ja nicht der este Fall, in dem ein Promi unter Verdacht gerät, weil sich jemand einen Vorteil erhofft. Oder nicht alle Tassen im Schrank hat. Und auch selbstbeigebrachte Verletzungen wären nicht neu.
Oder aber Kachelmann ist schuldig. Und dann schmerzt es, wenn man sich vorstellt, dass einer, dem so vieles gelungen ist, wegen irgend welchem Beziehungssumms mal Testosteronverneblungen kurzerhand alles hinwirft. Bei klarem Verstand. Denn – so die Artikel – Kachelmann soll kaum trinken. Und er würde sich hundertporzentiger Widerling entpuppen, wirft man ihm doch – laut Focus – vor, seine Freundin mit einem Messer zum Verkehr gezwungen und dabei verletzt zu haben.
Stossend ist zudem das Trara, das die Untersuchungsbehörden machen. Laut Spiegel soll ein Sonderkommado drei Wochen lang die Verhaftung am Flughafen vorbereitet haben. Bei einem, der ja eh ständig in Deutschland ist, weil er dort seine Geschäfte macht. Und bei dem man am Bildschirm sehen kann, wo er gerade ist! Drei Wochen Vorbereitung um Kachelfrosch abzugreifen ist Steuergeldverschleuderung. Und genau so lächerlich ist die Untersuchungshaft wg. „Fluchtgefahr“. Zwar kann ein Schweizer nicht ausgeliefert werden, würde er darauf bestehen, dass ihm den Prozess in der Schweiz gemacht würde. Die Kunden sind aber in Deutschland, und man kann sich kaum vorstellen, Kachelmann würde sich in der Schweiz verschanzen. Zumal er bei einem Prozess in der Schweiz in Deutschland alles verlieren, und in der Schweiz nichts gewinnen würde.
Nebst den Formalien, denen Genüge getan werden muss, handelt es sich wahrscheinlich auch ein wenig um Beugehaft. Etwas, was auch in der Schweiz immer häufiger vorkommt: Irgendwelche Gründe für U-Haft anführen, in der Hoffnung ein Geständnis zu erspressen.
Das man über das Drama von einem, der gerne aus allen medialen Kanälen trompetet, Witze macht, ist zwingend. Aber Schadenfreude will sich bei Kachelmann keine einstellen, eher Mitleid. Da sähe man mach andere Medien-Krawallschachtel lieber stürzen.
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3 Kommentare
1
Isabella
Wie wahr!! Danke für den Artikel. Ich habe immer gedacht, Amerika wäre doch immer noch ein Stückchen weiter weg. Und hiererorts wüsste man sowohl über Katholiken, die keine Eunuchen sind, bescheid, als auch über Geschichten einer angeblichen Tat mit Tatwerkzeugen, die, während diese benutzt werden, nur bei einem kranken kriminellen Psychopathen eine solch kriminelle Handlung (Vergewaltigung) denkbar machen ließe.
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Werner Ružička
„wegen irgend welchem Beziehungssumms mal Testosteronverneblungen“ – ziemlich nonchalante Diagnose, milde gesagt. Mir scheint es da eher um Macht zu gehen – um Machtanspruch und -ausübung. Würde mir gut zu der in meinen Augen überdrehten Performanz von JK passen – ich habe mich nach oben gekämpft und erlaube mir mal was: Eher der Ductus eines parvenues als eines Autodidakten. Sein peinlicher Wissenschaftshass, den er als Institutionenschelte tarnt, ist da nur folgerichtig.
Das mit dem/den Lächeln hast Du schön beschrieben – aber das ist eher allgemeine Medienökölogie bzw. -pathologie als erhellend für den casus JK.finde ich.
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haemmerli (Autor)
Lieber Werner, was für eine Ehre, dich hier zu haben. Und du hast recht, ist ein wenig salopp formuliert. Wobei dieser Tripp „Jetzt zeige ich mal, wer hier der Chef ist“ ja mit Testosteron so einiges zu tun hätte. Wenn es denn so gewesen ist. Was ich nicht teile, ist die Auffassung vom Wissenschaftshass. Der Kreuzzug gegen die SMA, die Schweizerische Meterologische Anstalt hatte vorwiegend pekuniäre Gründe. Und dieser Kreuzzug wurde zu einer Art pawolowschem Reflex, der sich in Schimpftiraden äussert, sobald irgendwo ein aufnahebereites Mikrophon eingeschaltet wird. Das hat sich in Deutschland dann einfach fortgesetzt, weil auch der Deutsche Wetterdienst mit Staatsknete alimentiert wird.
Recht hatte Kachelmann mit seiner Schelte der oft pseudowissenschaftlichen Sprache. Seine Forderung nach mehr Verben, nach einfachere Begriffe ist keineswegs antiwissenschaftlich. Da könnte man sich beim Franzosen und bei den Anglophonen einiges abschauen. Wenigstens was die populärwissenschafltiche Vermittlung anbelangt. Und dann ist seine Streiterei wieder Bauernregeln oder etwa gegen den Glauben, der Mond beeinflusse das Wetter, ja gerade auf Wissenschaft gegründet.
Kurzum, ich halte ihn für einen, der sehr wohl der Wissenschaft zugetan ist, der verdankenswerterweise popularisiert, ohne aber Konzessionen an Volksaberglauben zu machen.
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