Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 14.02.2010
Zürich bleibt die Speerspitze zivilisatorischen Fortschritts und zeigt, warum die Schweiz flächendeckend Tieranwälte braucht. So streitet unser Zürcher Tieranwalt Goetschel gerichtlich für die Interessen eines verblichenen 22-Pfund-Hechts (Gott habe seine Gräten selig). Der Monsterfisch hatte sich so sehr gewehrt, dass ein Angler zehn Minuten brauchte, um ihn einzuholen. Schon eine Minute sei zu lange, sagt der Tieranwalt und fordert Strafe. Jawoll! Nulltoleranz! Ein ethisch sauberer Fischer hätte doch einen Kollegen mit Stoppuhr zur Seite, der – kaum beisst etwas an – mitzählt „56. 57. 58. Sorry!“, um dann mit einer Sturmgewehr-Gnadensalve den Fisch von seinem Leiden zu erlösen.
Weil Rechtssicherheit auch unter Tieren herrschen soll, braucht es pro Kanton nicht einen, sondern mehrere Tieranwälte. Klagender Tieranwalt: „Euer Ehren, die Obduktion zeigt unstrittig, dass meiner Mandantin, einer physisch deutlich unterlegene Feldmaus, die dem Beklagten Kater Murrli nie etwas zu Leide getan hatte, drei Minuten lang Schmerzen zugefügt worden sind. Ich beantrage, dass der Beklagte im Tierheim verwahrt wird. Die mitverantwortliche Katzenmutter, die Deutsche Inga Selters, ist unverzüglich auszuweisen.“ Verteidigender Tieranwalt: „… beantragen wir Murrlis Verbringung ins Tierheim zugunsten einer ambulanten Massnahme aufzuschieben. Katzenmutter Selters soll die Chance haben, in einem „Nie-mehr-Mausen-dank-Miau-Mio-Stromstoss-Trainig“ Murrli auf den ethisch richtigen Pfad zurück zu führen.“
Tierethikstar Goetschel übrigens war federführend bei der Stiftung „Tier im Recht“, die – moralisch konsequent – eine vegane Lebensweise propagiert. Natürlich: Tieranwälte sind ein erster Schritt, mittelfristig brauchen wir auch den Eieranwalt. Wir brauchen Juristen, die die Würde von Schnitzeln und Fischstäbchen verfechten. (Die Detailbegründung regelt der Ethikrat.) Und weil auch Pflanzen Lebewesen sind, fehlen uns Flora- und Faunaanwälte . „Hohes Gericht. Als Darmfloraanwalt stehe ich der Einnahme von Abführmitteln äusserst kritisch…“ usw. usf
Vonnöten sind aber nicht nur all die neuen Posten, sondern Engagement und Courage von jedem einzelnen! So habe ich gestern in Shenzehn das Leiden einer Schildkröte, die in einem Kesselchen eingesperrt war, stoppen können, in dem ich tapfer und tiersolidarisch „Als Suppe bitte“ zum Wirt sagte.
Nachtrag:
Liest man die Artikel zum Fall des Hechtes, so erscheint Rechtswanalt Goetschel als unaufrichtig. So sagt er, dass eine Minute Kampf mit dem Hecht schon tierquälerisch sei. Um dann wieder zu relativieren, dass sage ja nicht er, das stünde in einem deutschen Gutachten. Es ginge ja nur darum, den Sachverhalt abklären zu lassen. Unsinn! Was der Tierschutzanwalt an Argumenten zusammensucht, auswählt und zitiert, das sind auch seine Argumente.
Genauso verhält es sich mit Goetschels Verhältnis zum Veganertum der Stiftung „Das Tier im Recht“. Goetschel war 13 Jahre lang Geschäftsführer der Stiftung und ist Vize im Stiftungsrat. „Das Tier im Recht“ glaubt, ethisch einwandfrei sei nur eine vegane Lebensweise. Gegenüber newsnetz.ch erklärt Goetschel dann: «Ich vertrete die Stiftung nicht nach aussen, sondern bin lediglich im Stiftungsrat.» Und es ginge mehr um eine Utopie. Wenn man Tierschutzspezialist ist, wenn man 13 Jahre lang der starke Mann in einem Club und danach Vize im Stiftungsat ist, dann weiss man, was die Positionen dieses Clubs sind. Abgesehen davon, dass sich aus den ethischen Leitlinien der Stiftung ja tatsächlich konsequent nur die Aufgabe der Nutztierhaltung folgern lässt.
Das Beispiel Goetschel zeigt, dass die Institution eines staatlich besoldeten Tieranwaltes ein Posten ist, mit dem extreme Auslegungen des Tierschutzgesetzes durch gesetzt werden sollen. Und eben nicht ein Instrument, mit Hilfe dessen dem ohnehin schon strengen Gesetz da Nachachtung verschafft würde, wo die Staatsanwälte in Sachen Tieren lasch sind (wie z.B. im Wallis).
Deshalb drängt sich für die Abstimmung vom 7. März 2010 ein Nein auf.
Die Sache wirklich sauber zu Ende gedacht hat übrigens einmal der neomarxistische Philosoph Herbert Marcuse in einem Gespräch. Marcuse meinte sinngemäss, es sei denkbar, dass man eines Tages mit der Entwicklung der Produktionsmittel und Nahrungsmittelversorgung so weit komme, dass man alle Tiere füttern könnte, so dass der grosse Fisch den kleinen nicht mehr auffressen müsste.
Und es ward Friede unter den Menschen und unter den Tieren!
Nachtrag 2010 03: Der Tieranwalt wurde, Goetschel sei Dank, mit über 70 Prozent der Stimmen und in jedem Kanton abgelehnt. Schade, dass sich nur gerade die SVP für die logische Folgerung einsetzt, dass man den Tieranwalt auch im Kanton Zürich wieder abschafft. So kriegt eine berechtigte Forderung dieses SVP-Geschmäckle.
Und noch ein Nachtrag zu den kritischen Stimmen, die mir vorgeworfen haben, ich hätte es nicht mit den Tieren: Ich hüte z.Z. gerade eine Wohnung in Mexico Ciudad samt zwei Katzen. Die eine hockt mir ständig auf dem Schoss, wenn ich am Tippen bin und legt sich vorzugsweise auf meinem Bauch, wenn ich Bolaños 1200 Opus „2666“ lese wie folgende Schockaufnahme klar beweist:
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Nachtrag September 2013: Bei Spiegel Online lese ich eben einen äussert interessantes Interview mit dem Forscher Robert Arlinghaus, der aufgrund der momentanen Kenntnis- und Faktenlage zum Schluss kommt, Fische würden keinen Schmerz im menschlichen Sinne empfinden.
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11 Kommentare
1
Andy Wildi
Die Sache ist eigentlich ganz einfach, wenn wir die Tiere auf eine Stufe mit uns stellen wollen, müssten wir das Ganze einfach umkehren,
das heisst wir müssten uns auf die gleiche Stufe mit den Tieren stellen.
Wenn wir ein Tier essen wollen, müssten wir es also selber Töten und Schlachten.
So würden viel weniger Tiere gegessen.
Ein allfälliger Tieranwalt müsste ja vor allem gegen die Grossfischerei und die Schlachthäuser vorgehen, die die Tiere „professionell“ umbringen. Aber da hat er keine Chancen!
Ps. Ausser Austern esse ich nur tote Tiere.
2
Max Schmid
Nun brauchen wir einen Jounalistenanwalt!
Ich bin kein Vegetarier und habe nebst Fleisch auch gerne Satire, Ironie und witzigen Sarkasmus.
Aber Ihre Kolumne finde ich wirklich den Hammer, auch wenn sie nur aus der Feder eines „Hämmerli“ stammt!
Oder steht Ihr Kürzel „haem“ viel eher für Haeme ?
Trotzdem mit Gruss von Max Schmid
3
Hanspeter Meier
Sehr geehrter Herr Hämmerli,
genau die gleiche Assoziation wie Herr Schmid hatte ich bei der Lektüre Ihrer hämischen Kolumne, die leider weder sachlich noch literarisch Kenntnisnahme verdient. Als Tierarzt an der Front kann ich Ihnen versichern, dass unsere Tier dringend einen Anwalt brauchen. Ich bitte Sie, in Zukunft bei etwas anspruchsvolleren Themen besser zu recherchieren. – Der Tipp eines Veterinärs, der sein Studium als Freizeitjournalistlein mitfinanzierte.
Mit freundlichen Grüssen
Hanspeter Meier
4
Svenja
Sie sind ein wahrer Held, Herr Hämmerli! Und so reflektiert.
5
haemmerli (Autor)
Jedes wie es kann! Und wie dringend wir einen Tieranwalt brauchen, belegt der Fall mit dem Hecht.
Äh, und ich heisse Haemmerli, nicht Hämmerli.
6
Svenja
Pardon Herr Haemmerli!
Man kann natürlich einen Einzelfall zur Grundlage seines Abstimmungsverhaltens aufbauschen. Diesen aber als „Beleg“ zu dramatisieren, ist doch eher „aus dem Bauch“ als rationale Erkenntnis. Im Uebrigen reichte nicht der Tieranwalt die Klage gegen den Fischer ein, sondern eine private Institution. Das Verfahren wäre auch ohne Tieranwalt durchgeführt worden.
7
haemmerli (Autor)
Kolumnen müssen verkürzen, zu spitzen und dann werde ich u.a. bezahlt, weil ich ein Spötter und Polemiker bin.
Was das Verfahren anbelangt, kann ich nur sagen, dass der Tieranwalt sich damit brüstet, dass er den Sachverhalt habe überprüfen lassen wollen. Und er ist der Tieranwalt, der den Fall nach dem Freispruch des Fischers weiterziehen will.
Recht haben Sie, dass der Hechtfall nicht Grundlage für ein Ja oder ein Nein sein sollte. Ich wäre aber auch ohne Hecht gegen Sonderregelungen. Und bin ganz generell der Auffassung, dass der Tierschutz bei uns völlig ausser Rand und Band ist.
8
Bernhard
@Herrn Haemmerli
Hoppla, das ist billigste Abstimmungspropaganda und ein total missglückter Versuch, sich zugleich als Meister der Prosa und der Satire präsentieren zu wollen. Ihnen ist wohl alles gut genug, um sich auf Kosten und dem Rücken anderer zu profilieren. Auch als Kolumnist dürfte man sich, bevor man sich zu so einem Thema äussert, wenigstens am Rande kundig machen. Warum nicht bei weniger sensiblen Themen bleiben, wenn man’s eh nicht drauf hat? Wegen dem Hechtfall: Lesen Sie doch mal die neue Tierschutzverordnung…
9
Simone
Sehr geehrter Herr Haemmerli
So, so, der Tierschutz ist bei uns also ausser Rand und Band? Wenn Sie damit meinen, dass wir viel zu sensibel mit Tieren umgehen, dann sei an Mahatma Gandhi erinnert: „Die Grösse einer Nation und ihr moralischer Fortschritt kann daran gemessen werden, wie sie ihre Tiere behandelt“. Ich bin stolz darauf, dass wir wenigstens ein relativ gutes Tierschutzgesetz haben in der CH. Sie scheinen Tiere gar nicht zu mögen und keinerlei Respekt vor anderen Lebewesen zu haben. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Tieren auseinander setzen und Sie werden feststellen, dass auch sie Angst und Schmerz erleiden und eigene Persönlichkeiten sind, die nicht gerne gequält werden. Wie kann man nur gegen eine gute Sache schreiben, wenn man vom Thema keine Ahnung hat?
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Haemmerli
Frau Simone! Bloss weil ich nicht Ihrer und schon gar nicht Gahndis Meinung teile, heisst das noch lange nicht, ich hätte keine Schimmer vom Viechzeugs. Mein Grossvater und mein Onkel waren Jäger, mein Vater ein leidenschaftlicher Fischer, meine Mutter und ihre Mutter waren beides engagierte Tierschützerin. Ausserem bin ich mit Tieren aufgewachsen. Trotzdem glaube ich, dass bei uns der Tierschutz ausser Rand und Band ist. Und weise deshalb gerne auf die ganzen Widersprüchlikeiten hin, etwa, dass wir Schnitzel essen, aber keine Hunde (wobei mein Schluss ja wäre, dass man die alte Appenzeller-Tradition wieder aufnehmen sollte, und auch einen Hund essen darf), dass bei Herzigen Tieren, die ganze Tierschutzgemeinde Amok läuft, bei weniger herzigen Viechern und natürlich bei den eigenen Artgenossen, dann aber hartherzig und mitleidlos ist. Paradebeispiel: Bardots Brigitte, die zwar ein Tamtam wegen jedes Pelzes macht, gleichzeitig aber mit dem Front National gegen Ausländer hetzt.
Ich bleibe dabei: Meines Erachtens haben wir in der Schweiz genug gesetzlichen Tierschutz, die Tierlobby ist – mit Ausnahme des Wallis – lautstark genug, und deshalb wäre ist es verkehrt, wenn wir jetzt auch noch Tierfanatiker als staatliche Anwälte bereitstellen. Und gegen Gahndi setzte ich die alte kantonesische Weisheit: „Wenn etwas vier Beine hat und kein Tisch ist, dann kann man es essen.“
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Sarah
Dieser Artikel gefällt mir nicht.
Es fehlt an Einfühlungsvermögen und Bescheidenheit 😉
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