31.01.2010  _  Fotos + Kolumne + Honk Kong + Laufband + Rollband + Rolltreppe + Soho Facebook

Bummelanten und Blitzfraktion: Auf dem Rollband durch Hong Kong

Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 31.01.2009

Rolltreppe in Hong Kong

Rolltreppe in Hong Kong

Manchmal kommt man in eine Stadt und spürt sofort: Hier gehöre ich hin. Hong Kong ist so. Eine Stadt mit atemberaubender Skyline, eine Stadt, die nicht schläft und in der alles extrem schnell geht. Angefangen bei den Fussgängern. Alles trabt und rast und kämpft sich durch die Passantenströme, dass es eine Freude ist. Im Gehen teilt sich die Menschheit in zwei Lager: Da die zögerlichen Bummelanten, hier die ungeduldige Blitzfraktion, die es vorwärts drängt. Und hätte ich noch so viel Zeit, ich kann einfach nicht schleichen, mein Hirn brüllte sofort: Mit jeder Sekunde rückt der Tod näher, geh schneller! Dunkel erinnere ich mich, probeweise mit Damen angebändelt zu haben, denen es geraten schien, dass man sich wechselseitig an der Hand zu fassen hatte (als sei man im Kindergarten und könnte verloren gehen), um dann versonnen dahin zu tippeln. Aaaaaarrrrrghhhhhhh! Kann ich nicht. Will ich nicht.

P1440369Rolltreppe.

Deutlich wird es auf Rolltreppen und Flughafen-Rollbändern: Die Menschheit scheidet sich in Geher und Steher. Letztere treten in zwei Varianten auf: Dem kommunen Steher, der einfach da steht und vor sich hin glotzt. Und dem Hindernissteher, der Rolltreppe oder Laufband mit sich verbarrikadiert. Weil er nicht versteht, dass Geher ihn überholen müssen. Oder aber, weil er von diffusem Fortbewegungsneid zerfressen ist und findet: Wenn ich hier gemächlich fahre, sollen die hinten gefälligst warten.

Auf der Rolltreppe: Steher und Geher

Auf der Rolltreppe: Steher und Geher

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Es ist ein Rätsel, wieso überhaupt jemand stehen bleibt, bloss weil das Band fährt. Marschiert man von A nach B, bleibt man ja auch nicht einfach stehen. Kaum aber ist der Steher auf einem Fortbeweger rührt er sich nicht mehr vom Fleck. Ein Freund meinte, das sei, weil es eben eh vorwärts ginge. Ich fragte mich, wie langsam dann eine Rolltreppe sein müsste, bis Steher sich bewegen würden. Nach fünf Minuten? Sieben? Einer halbe Stunde?
Derweil fuhren wir auf diesem endlosen Rollband durch Hong Kongs Soho. Zum Stillstand verdammt, weil sich vor uns zu viele Hindernissteher verklumpt hatten.

Soho, Hong Kong

Soho, Hong Kong

Der Freund berichtete, wie viel unberührter Natur er auf Wanderungen ausserhalb Hong Kongs begegnet sei. Kunststück! Die knappe Ressource Boden wird mittels Wolkenkratzern möglichst effizient ausgenützt, fehlt Raum, baut man einfach noch höher. Dafür ist die Umgebung nicht so zersiedelt. Ich dachte an Zürichs mickrige Vierstock-Genossenschaftsquartiere, an das Theater, wenn jemand noch einen Stock auf ein Haus setzen oder gar etwas Neues bauen will. Dann dachte ich, es ist nicht nur wegen der Temperatur, dass ich lieber in Hong Kong als Daheim bin. Am Ende des Rollbands angekommen, galoppierte ich fröhlich in die Nacht.

Hong Kong, Rolltreppe Soho und verlassene Matratze

Hong Kong, Rolltreppe Soho und verlassene Matratze

Eine typische Frischpärchensperre:

Die Frischpärchensperre

Die Frischpärchensperre


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Hoch oben in Hong Kong

Hoch oben in Hong Kong


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"Gewachsene Strukturen" à la Hong Kong
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Richgit Natur und richtig Stadt: Hong Kong

Richgit Natur und richtig Stadt: Hong Kong

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