Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 17.01.2010
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Der Chef hebt den Zeigefinder und grinst. Ich kapiere: Es ist gut für die Potenz. Und weil alle erwartungsvoll zu mir sehen, fische halt auch ich eine fette Killerbiene aus der Schüssel Schnaps und beisse beherzt zu. Vorne, bei Kopf, Fühlern und Beinen würde ich sagen: „crunchy“. Der Leib dagegen schmeckt mehlig.
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Seit nunmehr sechs Wochen bin ich an Taiwans Ostküste, die bis in die Achtziger nur mit dem Schiff zu erreichen war. Sie war das Rückzugsgebiet der Ureinwohner und Aboriginalstämme, die sich vor japanischen Besatzern und chinesischen Einwanderern verkrümelten. Noch vor anderthalb Jahrhunderten gehörte zur vorschriftsmässigen Initiation eines werdenden Mannes, dass er den Kopf eines Feindes brachte. Heute geht die Kopfjagd subtiler vonstatten: Statt Speer und Pfeil verwendet der Ostküsten-Aboriginal brachiale Gastfreundschaft. Abend für Abend finde ich mich an Lagerfeuern wieder, an denen alle mir, der Langnase, zu prosten. Permanent rieche ich als käme ich direkt aus dem Pfadfinderlager. Am schlimmsten sind die Regentage. Dann macht der Aboriginal das Feuer auf seiner betonierten, überdachten Veranda. Abzug hat es keinen, denn er ist sich Rauch von Kindesbeinen an gewohnt. Unsereins tränt im Rauch vor sich hin und spült die Kehle mit Feuerwasser. Erwache ich morgens ist deutlich: Die Kopfjäger haben wieder zugeschlagen. Über meinem Hals lauter Nichts. Abgesehen von starken Phantomschmerzen.
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Es ist ähnlich wie mit den Lebensmitteln, die hier in Tempeln für die Ahnen geopfert werden. Zwar sind Opfergaben physisch noch da, aber die Essenz haben die im Jenseits aufgefressen. Trotzdem verputzt der pragmatische Taiwaner die Opfergaben nach seinen Ahnen sicherheitshalber auch im Diesseits nochmal. Und es gibt Tempel, in denen verkaufen Schlitzohren immer wieder dasselbe, weil der Gaben-Konsument von blossem Auge kaum erkennt, ob ein Kuchen mit oder ohne Jenseits-Essenz ist. Die Thao dagegen, die seit jeher an den Gestaden des Sonne-Mond-Sees daheim sind, verehren einen Korb mit den Kleidern längst verstorbener Ahnen. Vater: „Ich bin alt, Sohn. Bald wirst du die Verantwortung für die Urunterhose tragen.“ Sohn, ergriffen: „Alte Socke, geheiligt werde deine Faser.“
Die Schnapsschüssel mit den Killerbienen geht reihum. Der Chef wedelt wieder mit dem Finger und ich frage mich, ob die Geste wirklich Potenz meint, oder ob ich mich mit steifem Zeigefinger und wieder ohne Kopf zu Bette legen muss.
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Einer der härtesten Jobs der Welt: Nacht für Nacht stehen sie in der Brandung und fischen mit ihren Netzen. Küste südlich von Hualien.
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Das hier ist sehr gesucht Ich habe aber nicht verstanden, was für ein Fisch das genau ist und ob er aufgezogen oder gleich gegessen wird.
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Mit modernem Marketing versucht Princess Coffee eine eigene Kaffeemarke aufzubauen.
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Sieht aus wie ein Scheissjob, aber an der Ostküste wird getanzt, sobald Musik erklingt, zuweilen singt man auch einfach und tanzt dazu.
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Mit Schneebergen im Hintergrund, erinnert der Sonn-Mond-See an die Schweiz. Unterschied:Es fällt auf wie viel weniger konsumiert wird. Auch deshalb sieht Taiwan aufgeräumter aus. Ich musste laut lachen, als mier jemand sagte, sie hätte gehört, die Schweiz sei wunderschön und sauber.
Ausserdem verfügt Taiwan über viel mehr öffentliche Anlagen, mehr Parkbänke, mehr Spielplätze, mehr Blumenbeete, Wandmalerein und Mosaike. (Äusserst wohltuend ist die Absenz der idiotischen Tags, die den ganzen Westen verschandeln. Auch Vandalismus scheint es kaum zu geben, generell scheint mir in Taiwan das Bewusstsein nicht nur fürs familliäre (wie in Asien üblich), sondern auch fürs gesellschaftliche Kollektiv sehr viel ausgeprägter als in der Schweiz.
Gebenüber den wenigen Langnasen sind die Taiwaner äusserst freundlich. Das Hauptproblem ist die Sprache, mit English kommt man nicht weit, es hilft nur Fuchteln, Vorspielen und Bilder zeigen. Weil Taiwan auf asiatischen Tourismus spezialisiert ist, wird auch nur wenig auf Englisch angeschrieben. Taiwan ist nur etwas für den fortgeschrittenen Individaulreisenden, dem aber wärmstens zu empfehlen.
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2 Kommentare
1
Jean-Pierre
Seit Jahr und Tag wollte ich Deine Website mal besuchen und habe es heute zum ersten Mal geschafft. Ich möchte auch Journalist werden….Gruzz aus dem Schnee, jp
2
FRANCES BELSER
hallo hämmerli
ja du hast recht hier in der schwyz ist es so arsch kalt…
das schwappt über auf unsere Lüt.
Der einte Fisch sah so lecker aus überhaupt scheint die Energie dir gut zu tun.
Mais oui…
so long
Frances
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