11.10.2009  _  Fotos + Kolumne + Kunst Facebook

Nackt, hungrig und bemalt

Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 11.10.2009

Die Wege des Herrn sind verschlungen, und so fand ich mich unlängst in Ada Bojana, einem staatlichen Nudistencamp in Mon­tenegro wieder. Seine grossen Tage hatte die Anlage unter Tito, heute tummeln sich dort noch ein paar versprengte Bierbäuche. Ich war an ein Kunstsymposion geladen, das von holländischen Neo­Hippie­Künstlern dominiert war. Tagesparole: Jetzt ziehen sich sofort alle aus, und wir bemalen uns mit Körperfarbe. Brav bemalte man sich, und auch sonst war alles brav, züchtig, ja, ein wenig calvinistisch. Was die Kantine auftischte, war so gruselig, dass man sofort in kollektive Hungerstreiks verfiel. Und im Stillen forderte: Zusammenlegung der politischen Gefangenen! Freiheit für Roman (P.)! Notschlachtung des Küchenpersonals. Jetzt! Ausgezehrt und matt, dafür nackt und bunt (der Holländer wegen) kauerte ich vor meinem Bungalow, als der Künstler Kerim Seiler sich anerbot, einen Flüchtlingsbus an die Biennale in Alba­niens Kapitale Tirana zu chauffieren. Vom Regen in die Traufe. Die Pizza in Tirana war schal, die Kunst grottenschlecht. In einem ehemaligen Hotel reihte sich ein Zimmer ans andere, und überall projizierten Kunstfritzen Videos, in welchen Menschen lang­ atmige Erklärungen in Sachen Stadtentwicklung von sich gaben. (Sprachregelung: «Der Künstler erforscht …») Ich glaube ja gerne, dass im Videowust der eine oder andere interessante Gedanken zu finden wäre. Falls man Zeit hätte, einige Tage im Museum zu campieren und alles durchzuhören. Ähnliches präsentiert momentan das Kunstmuseum St. Gallen. Zwei Kunstmamsellen haben 25 Gespräche mit Personen geführt, die «irgendwann in ihrem Leben als Frauen identifiziert» worden seien. Selbst die Kunstfunktionäre, mit denen ich dort war, zuckten die Schultern und liessen die Monitore ungesehen vor sich hin plappern. Obwohl es doch, wie das Museum versichert, ganz besonders subtile Kunst sei, denn im Video sprächen nicht die Irgendwann­Frau­gewesen­Seienden, sondern ihre Über­setzerinnen. Daraus ergäben sich verzwickteste Bedeutungs­ verschiebungen.

Danke, museum st. Gallen, das Telefonspiel kennen wir seit dem ersten Klassenlager. Und was überlange Autistenkunst mal Auf­ blähschmäh anbelangt, so darf ich gratulieren: St. Gallen schafft mit links den internationalen Anschluss an die Tirana­ Biennale, wovon ich, Gottes verschlungenen Wegen sei Dank, mit Fug Zeugnis ablegen kann.

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Montenegro Ulcinj

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Montenegro Ulcinj Boutique Happening

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Montenegro Glauben

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Schöner Wohnen Montenegro

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Eingangshalle Ada Bojana

Eingangshalle Ada Bojana

Exkursionen Ada Bojana

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Exkursionen Ada Bojana Montenegro

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Exkursionen Ada Bojana Dubrovnik

Exkursionen Ada Bojana Dubrovnik

Exkursionen Ada Bojana Albanija

Exkursionen Ada Bojana Albanija

Gehobene Bungalows Ada Bojana

 

[caption id="attachment_487" align="aligncenter" width="625" caption="Bungalows Ada Bojana"]Bungalows Ada Bojana

Der Verfasser wird für ein Anne de Vries-Foto bemalt

Der Verfasser wird für ein Anne de Vries-Foto bemalt

Der Verfasser wird für eine Anne de Vries Installation bemalt. Der Rest der Ada Bojana Bilder sind einem Katalog vorbehalten, der zur Zeit in Amsterdam gefertigt wird.

Albanien

Unterwegs nach Tirana

Unterwegs nach Tirana

Mikro-Reklame

Mikro-Reklame

Ein toter Migros-Anhänger nach der montengrinischen Grenze

Ein toter Migros-Anhänger nach der montengrinischen Grenze

Heroisches Volk Tirana

Heroisches Volk Tirana


Kolumnen müssen verkürzen. Nicht ganz alles an der Tirana-Biennale war schlecht. Thomas Hirschhorn beispielsweise zeigte als Knaller Collagen, die Reklame-Models mit mutilierten Körpern von Unfall- und Kriegsopfern kombinierten. Wobei ein grosser Teil der Wirkung davon ausgeht, dass man derlei Bilder sonst nie zu sehen bekommt. Nicht alles war schlecht, aber als Ganzes war die Biennale eine dieser autistischen Veranstaltungen mit verblasenen Texten. Und es geht mir keineswegs darum, Populismus einzufordern. Wenn aber selbst ein kunstinteressiertes Publikum mit den Schultern zuckt und sich dem nächsten Schmäh zuwendet, dann könnte man den guten Künstlern doch einfach das Geld auszahlen und sie vor sich hinforschen lassen, statt ihre Zeit mit dem Aufbau einer Ausstellung zu belasten.
Gelohnt hatte sich die Fahr nach Tirana, weil das Hotel Dajti, gebaut in den 30ern und lange der schickste Kasten weit und breit, mit seinem heruntergekommenen Charme so bestach. Und in Erinnerung bleiben werden mir die kommunistischen Statuen von Partisanen, Proleten und von Stalin, die in einem Hinterhof herumstehen.

Hotel Dajti

Hotel Dajti

Grüner Knopf, roter Knopf

Grüner Knopf, roter Knopf

Hotel Dajti

Hotel Dajti


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Hotel Dajti

Hotel Dajti

Partisanin und Prolet

Partisanin und Prolet

Stalin

Stalin

Stalin und ein lädierter Lenin in einem Hinterhof Tiranas

Stalin und ein lädierter Lenin in einem Hinterhof Tiranas

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