02.08.2009  _  Kolumne Facebook

Unique: Wie Kim Cooper einmal Brand-Geschichte schrieb

Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 2. August 2009

Wir alle, vermute ich, empfanden Genugtuung als diese Zeitung vorige Woche enthüllte, der Flughafen Kloten wolle sich vom depperten Namen „Unique“ trennen. Zum Ich-habs-immer-gesagt-Triumph gesellt sich aber ein schales Gefühl, weil der Flughafen damals zu 70 Prozent der Öffentlichkeit gehörte, und nicht einsehbar ist, warum bei der Londoner Agentur Wolff Olins 800’000 Franken allein für die Namensfindung zum Fenster raus geworfen wurden. Und man fragt sich: Wer dachte sich derlei Nonsens aus?

Weil ich früher Reklamefifi war, kann ich’s mir lebhaft ausmalen. Das Agenturjungvolk macht Vorschläge, der Kreativdirektor sichtet, woraus ein dickes Booklet wird, welches ein begnadetes Verkaufsgenie präsentiert („auch die Erhebung in den Fokus-Gruppen belegt…“). Ende Neunziger lief in angesagten Clubs der Underground-Hit „Unique“ von Danube Dance, in dem die schwarze Gewaltsröhre Kim Cooper singt: „You know, baby, I was looking through the dictionary to find words to describe you. And I came across this word: Unique“. Cooper stöhnt und hebt an zum Refrain: UNIQUE! Der dritte Gin-Tonic ist intus, eventuell sind die Synapsen zunftnotorisch mit etwas Koks oder MDMA auf Euphorie gekämmt, doch im Hinterkopf mosert der Chef, nächste Woche brauche er Vorschläge für die Flughafenfritzen vom Kontinent. Die ständig sagten, sie seien eben ein wenig besser. Sie seien ein Sonderfall. A special case. A unique case. Bingo! Kim Cooper flötet: „Unique: You’re one of a kind.Unique: You blow my mind.“ Die Clubnacht ist gerettet. Kim Cooper schmettert:

„It’s: Unique.“

Christian Birck von Wolff Olins sagte damals, man habe ein halbes Jahr nachgedacht und Namen vorgeschlagen, „die von sehr konservativ bis zu sehr abstrakt“ gereicht hätten. „Unique“ sei Favorit gewesen.
Wie, ums Gotteswillen, mögen dann die verworfenen Konzepte gelautet haben? „Meine Herren, wir starten mit konservativem Branding: Unsere historische Variante: ‚Bollwerk Flughafen Winkelried‘. Mehr in heutige Kulturkämpfen positioniert ist: ‚Flughafä Hellebardä Köppel-Chlotä‘, womit ein Sohn Klotens geehrt und sprachliche Lokalverankerung garantiert wäre. Der grösste Brand-Spielraum ergibt sich mit unserem sehr abstrakten Vorschlag: Kloten ‚Port NX-2Z29b-3‘. Hoch affin zu jungen Zielgruppen wäre dagegen ‚Yo! MoFo-Kloten-Pimp-My-Flughafen-AG‘. Unsere Empfehlung aber ist pfiffig modern, eckt nicht an und heisst griffig: ‚Unique!’“
Flughafendirektor Josef Felder war verblüfft. Genau! Hellebarde fand er auch zu lokal, den Rest auch zu, äh, trendy, aber „unique“, das hätte vom ihm selber stammen können (ganz abgesehen von den Fokus Gruppen!). Und so hiess der Flughafen Kloten – bis Felder mit einem dicken Bonus von dannen zog – doch tatsächlich Uniiiiiiiiiiiik.

Fussnoten:
Hinter Danube Dance steckt der österreichische Elektroproduzent Peter Rauhofer. Anfang Neunziger kam „Unique“ raus, wurde oft neu gemixt und gehörte jahrelang zum eisernen Bestand der Danceclubs. Als damals Kloten mit dem Markennamen „Unique“ an die Öffentlichkeit trat, war mein erster Gedanke: Das haben die doch von diesem Song abgeschaut.
Unique auf Youtube:
Danbue Dance: Unique (Underground Club Mix) , 1992
Danube Dance: Unique (RMX), 1991
Eher langweilig ist der Always Unique-Mix von Cevin Fisher

Bezeichnend ist übrigens, dass Wolff Ollins in ihrer umfangreichen Kundenliste die Flughafen Zürich AG und den Casus Unique nicht aufführt.

Christian Birck, damals der Senior Berater für Markenstrategie bei Wolff Ollins, ist inzwischen Markenboss bei Holcim geworden. Die Zeitschrift Facts vom 13.04.2000 fragte Birck: „Wie einzigartig ist Unique in Europa? Für Englischsprachige tönt es wie Munich.“ Birck: „Alle Fokus-Gruppen, die wir in London befragt haben, zeigten uns, dass es die Verwechslungsgefahr gerade für Engländer nicht gibt.

Sohn Klotens: Roger Köppel kommt aus Kloten und ist als Chef der Weltwoche Sprachrohr und ein Aushängeschild der nationalkonservativen Schweiz. Allerdings war er 2000, als der Name „Unique“ entwickelt wurde, weder bekannt noch so stockkonservativ wie heute.

Yo! MoFo-Kloten-Pimp-My-Flughafen-AG
Yo! ist ein Ausruf, der zum Hiphop-Slang gehört. MoFo ist eine im Hiphop gebräuchliche Abkürzung für Mother Fucker. Pimp-My kommt von dem Ausdruck Pimp my ride, motz mein Gefährt auf und taucht inzwischen in allen möglichen Varianten auf, diesen Samstag beispielsweise hörte ich Inox, die Schlagzeugerin von Clara Luzia, sagen: Pimp my dog!

Goldie, der zu pimpende Hund von Ino und Betty, der gerade dabei ist, einen Strohhut zu pimpen.

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