Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 5. Juli 2009
Ich dachte, die Knecht liebt mich nicht mehr als ich gewahr wurde, dass sie mich als Facebookfreund gestrichen hatte. Ich war perplex. Knecht war enthusiastisch gewesen, als ich mich vor einem halben Jahr bei Facebook eingeschrieben hatte, weil da dass Saigoner Sozialleben abgewickelt wird. „Endlich, Haemmerli! Endlich!“ schrieb sie mir. Und versah mein nigelnagelneues Account gleich mit einem unvorteilhaften Foto, auf dem ich Playboy-Bunny-Ohren trage.
Es war die Rache dafür, dass ich ihren beiden kleinen Mädchen Playboy-Bunny-Sets samt Ansteckschwänzchen mitgebracht hatte, worauf die Knechtkinder sowie Onkel Haemmerli mit den lustigen „Hasenohren“ abgelichtet worden waren. Knecht mokierte sich, weil ich innert Wochenfrist 300 Freunde hatte, derweil ich mit Neid verfolgte, was schlagfertige Menschen wie sie und ihr Schatz auf Facebook ständig an wohl formulierten Bonmots und nonchalanten Appercus hintippten. Weil Doris Knecht in Österreich eine Starkolumnistin ist, die praktisch täglich publiziert, hatte sie plötzlich 800 Facebookfreunde. Allesamt hungrig nach Knecht-News. Allesamt lechzend nach Doris-Interna. Knecht klagte, sie hätte gehofft, man könne sich gleichzeitig mit echten Freunden (z.B.: ICH!) als auch mit der lesenden Kundschaft gemein machen. Fehlurteil. So mussten wahre Freunde (wie ICH!) mitsamt den restlichen 799 Kretins über die Klinge springen, denn so ein Account lässt sich nicht einfach löschen.
Schon der Kolumnist Max Küng verabschiedete sich kürzlich von Facebook und beschrieb als Erstaussteiger den Akt noch als titanische Heroensaga. („Der Tag an dem mein Leben besser wurde, war ein Sonntag. Ich schulterte den Henrystutzen, den Bärentöter, ich gürtete den Zweihänder…“)
Ich verstehe Knecht & Küng. Facebook ist Arbeit. Arbeit, der auch ich nur mehr selten und oft mürrisch nachgehe. Ich bin momentan bei über 500 lieben Freunden und ständig warten rund 80 willige Menschen, die ich nicht recht einordnen kann, auf Einlass. Socialnetwork my ass! Soziale Arbeit, ehrenamtlich, das trifft es eher.
Die Aussage „Facebook? Habe ich aufgegeben.“ dürfte deshalb bald ebenso schick werden wie einen persönlichen Facebook-Wart (z.B. einen Ex-Journalisten) in Lohn und Brot zu setzen, der pfiffige Statusmeldungen formuliert, elegant Einladungen abschmettert und unbekannten Neu-Freunden auf den Zahn fühlt. Und die Knecht treffe ich jetzt auf Skype.
Haemmerlis Film „Sieben Mulden und eine Leiche“ ist heute Sonntag 5.7. um 21.45 auf 3sat. Am 10ten diskutiert unser Kolumnist auf SWF um 22.00 über Ordnung.
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