Seit dem Darwinjubiläum wissen wir: Das „survival of the fittest“ ist flankiert vom „survial of the prettiest“, dem Überleben der Hübschesten. Darwin zeigte das an Hand des Pfaus: Weil Pfauen mit hübschem Schwanzgefieder eher begatten konnten, wurden die Schwanzgefieder der Gattung immer hübscher. Genauso ist es auch beim Menschen; deshalb müssen Erscheinungen wie Nella Martinetti oder ich kinderlos bleiben und dann aussterben.
So veredelte sich der Mensch seit jeher, bis unsere Gesellschaft der DNA einen dicken Lidstrich durch die Rechnung machte. Weil Styling und Schönheitschirurgie uns hübscher machen als es die Gene zulassen, begatten wir uns auf Grund falscher Annahmen. Nehmen wir hypothetisch an, Michael Jackson und seine blonde Walküre hätten gerade die Geburt noch eines, äh, selbstgemachten Kindes erlebt. Drei Jackson-Kinder haben spitze Näschen und kaukasische Gesichter, statistisch wäre jetzt was anderes fälllig.
Michael: „Das hat ja eine platte Nase! Krause Haare!“ Die Walküre zum Baby: „Was bist DU denn?“ Michael: „Dunkel pigmentiert! Sieht aus wie von den Jackson 5! Du Schlampe hast mich mit einem Neger betrogen!“
Damit Eltern derlei traumatische Erlebnisse erspart bleiben, muss pränatale Schönheitschirurgie korrigierend eingreifen, bevor so ein Wurm sich ausserhalb der Fruchtblase präsentiert. Für die Gattung als Ganze sieht’s eh düster aus. Hätte sich der Pfau vor dem Vögeln beim Frisör Federverlängerungen stecken lassen, es wäre evolutionär wohl nie zum Pfauenrad gekommen.
POSTSCRIPTUM:
Die These von der ästhetischen Seite Darwins wurde vor allem vom Berliner Literaturprofessor Winfried Menninghaus in seinem Buch „Das Versprechen der Schönheit“ (2003) vertreten. Vor ein paar Tagen hat Menninghaus übrigens in der Zürcher Zeitung die Weiterungen seiner ästhetischen Forschungen präsentiert.
Die Idee mit dem armen Eltern verdanke ich einem amerikanischen Artikel. Ich hatte gemeint, ich hätte das auf Opinion-Seite der NYT gelesen, konnte aber keinen Beleg mehr finden.
Beim fiktiven Beispiel mit Michael Jackson, der ein Kind kriegt, das aussieht wie er selber während seiner Zeit bei den Jackson 5, finde ich – wenn man einmal davon absieht, dass seine Operationen technisch verunglückt sind – die Frage interessant, ob man Michael Jackson lesen soll als ein avanciertes mutiges Beispiel von jemandem der seine persönliche Freiheit auslebt, der zu sein, der er sein will. Oder ob man ihn eher mit alten Entfremdungsdiskursen etwa mit Frantz Fanons „Peau noir, masque blanc“ als Paradebeispiel von Selbsthass unter rassistischen Umständen interpretieren soll. Oder ob man gar – analog zu den Transgenderdiskursen – anhand von Jackson die Freiheit postulieren müsste, dass es möglich sein soll, dem Gefängnis der eigenen rassisch-genetischen Herkunft entfliehen und seine frei wählen zu dürfen.
Derlei scheppert mir beim Tippen durch die Birne, derweil die grösste Sorge war, wie ich im klitzekleinen Raum von unter 1500 Zeichen eine runde Kolumne hinkriege.
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