Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 1.2.2009
Der Hausherr überreichte uns allen kleine rote Umschläge und sagte grinsend: „Lucky Money!“ Vietnam feiert Tet, das chinesische Neujahrsfest, das hier einen Bedeutung hat als wäre bei uns Fasnacht, Weihnachten und Sylvester fusioniert. Ein Festessen jagt das nächste, freigiebig werden Leckereien und alkoholische Erfrischungsgetränke ausgegeben, und wenn der Wahnsinn vorüber sein wird, muss ich dringend in eine De-Tet-Kur.
Es geht bei Tet um Glück und Prosperität fürs neue Jahr. Die Männer zechen und spielen um Geld, weil der Gewinner Glück im Spiel haben wird, derweil den Verlierern Glück in allen anderen materiellen Unternehmungen winkt. Während der Tet-Vorbereitungen zahlen gute Vietnamesen alle Schulden zurück, Kinder und jüngere Verwandte erhalten bei den unzähligen Freundschafts- und Familienbesuchen rote Umschläge mit Geldgeschenken. Als Grussformel wünscht man sich: Tiền vô như nước! Geld soll fliessen wie Wasser!
Ich weiss nicht, was den mir bis dato unbekannten Gastgebers bewog, auch uns, die wir weder Verwandte noch jung sind, je ein Briefchen mit Noten im Gegenwert eines halben Putzfrauenmonatslohns zu zu stecken. Eine Schweizer Freundin auf Durchreise jedenfalls meinte: „Ich fühle mich als wäre ich bei der UBS. Plötzlich kommt noch so ein Bonus angerauscht.“ Ich erhob mein Glas und sagte: „Geld soll fliessen wie Wasser!“ Dachte aber, dass der Vergleich hinkt.
Im Gegensatz zu uns und den geschenkten roten Tütchen finden UBS-Angestellte ja, sie hätten ihr „Lucky Money“ redlich verdient.
So weist Hans Furer vom Bankpersonalverband Nordwestschweiz darauf hin, der Bonus sei „eine Entschädigung für die schwierige Arbeit, die 2008 geleistet“ worden sei. Im Tagi-Forum erklärt ein Freddie („Ich gehöre zum unteren Kader“) Meier: „Mir zieht es die Socken aus!“ Denn in Meiers UBS-Einheit erhielten nicht eimal „langjährige, herrvoragene Mitarbeiter einen ganzen Monatslohn“ als Bonus. Das sind natürlich zwingende Argumente.
Gefordert ist jetzt die Glückskette. Bis aber organisierte Hilfe anrollt, braucht es als überbrückende Sofortmassnahme zur Abfederung der schlimmsten UBS-Härtefälle freundeidgenössische Direktsolidarität! Von uns allen! Man stecke Bonus-losen UBS-Angestellten beim nächsten Bankbesuch einfach diskret ein kleines „Lucky Money“-Couvert zu. (Und Freddie Meier zusätzlich ein paar Wollsocken.) Oder engagiere sich bei Pfarrer Siebers UBS-Suppenküche auf dem Paradeplatz, auf dass auch die Vergessenen und Geschundenen wieder einmal eine warme Mahlzeit in den Hungerbauch kriegen. Tiền vô như nước!
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