07.12.2008  _  Fotos + Kolumne Facebook

Des Kommissars Söckchen

SonntagsZeitung 2008 12 07

Die Gänsehaut richtet mir die Härchen auf. Im Hals klopft laut mein Herzschlag, und wegen der STREEESSSSSSSSSS!!!!-Botenstoffe laufen auch sonst alle möglichen Körperfunktionen auf Hoch­touren. Da liege ich. Nackert. Schutzlos. Ausgeliefert. Und habe eine Scheissangst, weil ich im Dämmerlicht den Kopf einer Gestalt erspäht habe.
Gerade mal zwei Tage sind vergangen, seit
Gerade mal zwei Tage sind vergangen, seit Räuber ins Haus eindrangen und sich mit Bargeld, Computer, Taschentelefon sowie meinem Tumi-Rucksäckchen von dannen gemacht haben. Nun, mit Verlust muss man rechnen. (Schönen Gruss an Ihr Aktiendepot.) Was mich aber frappierte: Der Verbrecher, wo­möglich in Begleitung von Komplizen, war herum­geschlichen, derweil man im Bette lag. In einem Haus, das – von einer alten Hippiedame konzipiert – kaum Wände und Türen hat. Im Halbschlaf hatte ich etwas gehört, dachte aber, das sei wohl eine der Kat­zen, die zum Haus gehören.
Die vietnamesische Polizei sandte einen Kommissar mit einem Kollegen, der trotzt der Bruthitze Saigons seinen Motorradhelm aufbehielt.
(«Hol schon mal das Motorrad, Huyen.») Der Kommissar sagte: «Nichts anfassen! Spurensicherung.» Dann begann, er Formulare zu beschreiben. In mehrfacher Ausfertigung. Die Spurensicherung machte ein paar Fotos (mit echtem Film!) und erklärte, die Einbrecher seien mit dem Boot vom Fluss gekommen, Ufervillen würden häufig heimgesucht. Huyen briet unter seinem Helm, der Kommissar schrieb und schrieb. Seine Söckchen wa­ren im gleichen Grün wie seine Uniform, und als Klingelton verwendete er Froschgequake. Wahr­scheinlich für Fälle, da er erreichbar sein, gleichzeitig aber im Garten auf der Lauer liegen muss.

Ich aber liege da und habe nicht einmal grüne Tarnsöckchen an.
Das Herz hämmert im Halse, während ich Handlungsoptionen prüfe. Soll ich mich tot stellen? Wie ein Feigling? Oder soll ich schreiend ins Wohnzimmer stürmen? Ich bin schmächtig. Un­sportlich. Und auch nicht gerade Long Dong Silver; eindrücklich ist allein der Embonpoint. Auf Vietna­mesisch kenne ich bloss Wendungen wie «Dies ist eine Katze.» Oder: «Rindssuppe!» Was würde ich brüllen? «RINDSSUPPE! DIES IST EINE KATZE!» Oder: «HO-HO-HO-CHI-MINH?» Als Helvetier wähle ich den Kompromiss, bewege mich kaum, luge aber aus meiner Neutralitätszone noch einmal vorsichtig in Richtung des Strolchs. Der bewegt sich genauso behutsam wie ich. Plötzlich dämmert mir: Das ist ein Spiegel.

Solide Handarbeit: Der Kommissar fertigt Akten

Der Kommissar: Schreibarbeit

Solide Handarbeit: In mehrfacher Ausführung

Solide Handarbeit: Polizeidokument

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Der Saigonriver: Wo die Strolche herkamen

Der Saiogn Rivier, Blick vom Garten in Anphu

Der Saiogn Rivier, Blick vom Garten in Anphu

Da hilft aller Stacheldraht nichts.

Saigonriver mit Stacheldraht

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