24.05.2009  _  Kolumne + Verbote; Tankstellenshop; Kilerpsielverbot Facebook

Geben Sie Gesässfreiheit!

Die Kolumne aus der SonntagsZeitung vom 24.05.2009

Das Ferienressort Nam Hai bei Hoi An ist eine westliche Oase im Chaos Vietnams.

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Als mich aber das Golfwägelchen ins Spa chauffiert, begegnete mir dieser Sicherheitswahn, der auch in der Schweiz tobt, in Form eines Warnschildes: „Rausfallen könnte zu ernsthafter Verletzung oder Tod führen. Bleiben Sie mit dem ganzen Körper sitzen und halten Sie sich immer fest.“

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Wohlgemerkt: Wir sprechen hier nicht von einer hochfrisierten Höllenmaschine, kommandiert von einem Irren, der sich seit der Tet-Offensive 1968 „Crazy Skullfuck“ nennt. Wir sprechen von einem Elektrowagen, der von wohlerzogenem Personal mit maximal fünfzehn Stundenkilometern über gepflegte Gartenwege gelenkt wird. Davor war ich nach Vietnam geflüchtet: Diesem Vollkassko-Spleen, für Sicherheit alle Freiheit fahren zu lassen. Und sei es die Freiheit, im Golfwägelchen fahrlässig eine Arschbacke anheben zu dürfen.

News aus der Schweiz: Zürich will Warntafeln, weil Kinder mit Velohelm sich auf Klettergerüsten verletzen könnten. (Verantwortungsvolle Eltern stecken die Kleinen eh in Zwangsjäckchen!) Die FDP will die 1. Mai-Kundgebung, der Kanton St. Gallen will Killerspiele verbieten. Klar. Gerade auf heiligem (Sankt!) Galler Hoheitsgebiet ereignen sich pro Woche statistisch am häufigsten Amokläufe wegen des ungeschützten Konsums von Killerspielen („Ego-Shooter-Game-Disease“). Und nicht – wie gemeinhin angenommen – aus Frust und Scham wegen des grauslichen Dialektes („Ego-Sankt-Galler-Dialekt“).

Da lobe ich mir St.Saigon. Obzwar das Regime autoritär ist, scheint mir die persönliche Freiheit des Bürgers unerhört. In sieben Monaten Saigon hat mich kein einziger Beamter behelligt. Verpönte Zeitungen und Filme gibt‘s (Pirate Bay sei Dank!) per Internetz. Täglich spriessen auf den Trottoirs improvisierte Restaurants, und wenn ich erkläre, bei uns bräuchten Kneipen für Aussenbestuhlung eine Baubewilligung, nehmen die Viets an, sie hätten mich nicht recht verstanden.

Das Mobiliar eines Trottoirrestaurants

Das Mobiliar eines Trottoirrestaurants

Lange nach Mitternacht hole ich, was ich brauche im 999-Supermarkt und plaudere mit dem Personal, derweil „Wirtschaftsministerin“ Leuthard in Zürich meinen liebste 24-Stunden-Tankstellenshop verboten hat.
Mag man in Saigon mangels Warnungen und Verboten aus dem Golfwagen fallen, am Helm vom Klettergerüst baumeln oder im anarchischen Verkehr überfahren werden, das Leben ist trotzdem angenehmer, lustiger und vor allem freier als in der Schweiz.

Fussnoten:
Killerspiele: Obwohl ständig behauptet wird, Killerspiele seien an Amokläufen schuld, bleiben die Mahner den Beweis schuldig. Opportunistische Politiker knöpfen sich dann gerne eine Gruppe vor, die weder eine Lobby noch viel Sympathie geniesst. Und die Journaille, die die grösste Profiteurin von Amokläufern ist, kann sich mit der Geisselung von Killerspieln ein Moralmäntelchen umhängen und von der eigenen Mitverantwortung ablenken. Ein Paradebeispiel war der wohlfeile Kommentar von SonntagsBlick Chefredaktor Hannes Britschgi (ein Mann, den ich sonst als grossen Journalisten schätze), der keinen Gedanken daran verschwendte, dass der Mediensturm den Echoraum und die Attraktivität von Amokläufen erhöht. Was hier schon vor zwei Monaten bekrittelt wurde: Die Medien garantieren einem durchgedrehten Amokläufer weltweiten Ruhm innert Tagen.
Verdankenswerterweise haben die Kollegen von der NZZ am Sonntag die Mühe auf sich genommen, nicht einfach nur etwas daher zu schwadronieren, sondern ein paar Recherchetelefone zu machen. Vorläufiges Ergebnis: Es ist nicht zu belegen, dass Killerspiele zu Gewalttätigkeit führen.
Tankstellen: Siehe auch die Kolumne: Meine Vorsätze 2009: Ausrotten! Niederbrennen!

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